■ Standbild: Pretty Belinda: "Opa" - Oldie-Hitparade, ORB, Mi., 20.15 Uhr
„Opa“ – Oldie-Hitparade, ORB, Mi., 20.15 Uhr
Schon als Anfang der 70er Jahre die „Kreissparkasse Bad Segeberg“ mit bunten Oldie-Samplern herauskam, auf denen sich von den Bee Gees bis zu Louis Armstrong alles mögliche tummelte, war der Begriff diskreditiert. Anders als etwa mit dem altmodischeren Wort „Evergreens“ war mit „Oldies“ eigentlich immer das gemeint, was für die Fans aktueller Popmusik keinerlei Bedeutung mehr hatte.
Damals kokettierten die Käufer und Macher allerdings noch mit der jugendlichen Attitüde der auf den Oldie-Samplern vertretenen Bands, und die Sampler hatten für die kleinen Geschwister noch Bedeutung als eine Art Nachhilfeunterricht. Denn Stücke, die nicht mehr in den Charts waren, hörte man vor 20 Jahren nur selten im Radio oder TV. Spätestens seit der Einführung privater Radiostationen ist das jedoch vorbei. Denn die spielen ununterbrochen und bis zum Erbrechen genau die Musik, die die kauffreudigsten und deshalb radiomäßig auch wichtigsten Bürger schon immer gerne gehört haben. Also die tumb-etablierten, popuninteressierten Säcke zwischen 30 und 45. Die lagen sich schon mit 25 bei „Je ne regrette rien“ in den Armen.
Vielleicht ist die aktuell um sich greifende Frühvergreisung „schlimmer“ – sie zeigt sich u. a. darin, daß ein grenzenlos infantil verblödeter Antisexfilm, der auf die dümmsten Hits der 70er als hippe Partyneuigkeiten zurückgreift und damit auf Tournee geht, zum Supererfolg wurde („Wayne's World“) – hier soll es jedoch um „Opa“ gehen. Dessen „Zeitreise“ ist logischerweise zum Scheitern verurteilt. Denn die Welt der Greise verengt sich auf die würdelos immer wieder repetierte, immer aufs neu totgeschlagene Vergangenheit, die jede produktive Kraft zum Déjà vu längst verloren hat.
Die Zuschauer von „Opa“ genossen die depressive Regression. Im Marschrhythmus klatscht das Publikum wie bei der belieben „Super-Lachparade“ oder irgendeinem Volksmusik-Stadl. Die Titel waren jenseits von allem, was irgendwie mit Jugend, Rebellion, Sex oder Kunst in Pop zu tun hatte: „Pretty Belinda“, „Yesterday Man“, „Fox on the run“... Mit Plateau-Schuhen erschreckt der Opa die Oma. Die nächste Folge kommt in vier Wochen. Auch kann man Reisen in ferne Länder gewinnen. D. Kuhlbrodt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen