Standbild: Ewiger Stoff
■ "Gewalt im Fensehen"
„Gewalt im Fernsehen“, Mittwoch, ARD, 22 Uhr
Schon immer streiten sich die Medienforscher über die Frage, ob und wie es denn nun auf den Zuschauer wirkt, das Fernsehen. Dabei erfährt man aus den jeweils kursierenden Theorien meistens mehr über die Urheber und die Interessen ihrer Auftraggeber als über die Medieneffekte. Die Folge: ein höchst unterhaltsames Hauen und Stechen unter den Beteiligten.
Das scheint seit neuestem anders zu sein. Denn die Sorge um eine Zunahme der Gewalt in den TV-Programmen vereint mittlerweile alle: die rechten und linken Politiker, die Medientheoretiker und die Praktiker. Der Universalverdacht: Schulhofprügeleien und Jugendkriminalität werden durch die TV-Vorbilder erst angeheizt, Krimimorde und Reality-Shows rauben unseren lieben Kleinen die Unschuld. Und weil seit einem knappen Jahrzehnt die privaten Kanäle nur so überquellen von blutigen Billigserien, fallen den Verantwortlichen bei ARD und ZDF die Argumente nur so in den Schoß: Die Profitgier der Kommerzsender führe erst zur endgültigen Verrohung auf dem Bildschirm, heißt es. Nur ARD und ZDF bemühten sich noch um Qualität.
Genauso war es denn auch zu erwarten, als die ARD einen Bericht über den „Jahrmarkt der Grausamkeiten“ ankündigte. Im höheren Auftrag montierte Mathias Haentjes eine Unmenge mehr oder weniger kompetenter Statements mit gewalttätigen Bildern (vornehmlich von RTL) zusammen. „Wissenschaftlich ist belegt“ und „Experten“ sorgen sich, warnte er, denn die „kommerziellen Sender gehen hart an die Grenze“, und schon zeigt deren „alltäglicher Bildermüll“ Wirkung. ARD und ZDF dagegen „sind selbstkritisch, obwohl sie am wenigsten Grund hätten“. Bei so viel Selbstgefälligkeit erscheinen die gerade mal zwei Beispiele über Gewaltdarstellungen in öffentlich-rechtlichen Produktionen beinahe albern. Zumal Hans Janke (ZDF) uns ausführlich erklärte, daß der „ästhetische Zusammenhang die Gewaltszenen eingeschlossen“ habe, „Jahrtausende alte Themen, ewiger Stoff“. Da hätte man gerne mehr erfahren. Was macht diesen Stoff so faszinierend? Wie konkretisiert er sich in TV-Bildern? Statt dessen handelte Haentjes die Stereotypen eben genauso ab: stereotyp. Allenthalben raunte jemand von Gewalt, Angst und Risikogruppen, dazwischen kleine Bilderfetzen von Mord und Vergewaltigung. Wenn das Selbstkritik sein soll, kann es sich nur um einen Irrtum handeln – um einen gewaltigen. Achim Baum
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