■ Standbild: Im Kosmößchen
„Parlazzo“, Mittwoch, West 3, 19.45 Uhr
Ganz, ganz schrecklich dringend bat der taz-Medienredakteur, der Kritiker möge sich doch bitte, bitte noch in letzter Minute die WDR-Medien-Show „Parlazzo“ antun. Und völlig unerwartet erschien darin der taz- Chefredakteur – eingeladen als Experte zum Thema „Journalisten an die Leine“. Das kann doch nur ein Zufall sein.
Leinen los: Da erzählt der Filmschauspieler Uwe Friedrichsen („Oppen und Ehrlich“) vom „großen Wurf“, der ihm demnächst sicher gelingen wird. Da erklärt Ex-Eiskunstläufer Hans- Jürgen Bäumler (alias „Salto Mortale“-Darsteller Viggo Doria), er könne damit leben, „einmal einer von Deutschlands bekanntesten Sportlern gewesen zu sein“. Und die Barbie-gestylte Moderatorin Bettina Böttinger verkündet, auch nur scheinbar scherzhaft, sie sehe „nur einmal im Monat so aus“. So nach Beauty-Set. „Warum?“ hadert indes der Kritiker, warum soll ausgerechnet diese Show kritisiert werden?
Bestimmt nicht wegen des taz- Chefs: etwas weniger eitel, aber dafür bierernst und nicht gerade originell räsonniert Michael Sontheimer über die schwarzen Schafe unter den Journalisten. „Hohe Schmerzensgelder in die Hunderttausende“ fordert er gegen journalistische Entgleisungen. Da kann auch Joseph Theodor Blank, medienpolitischer Sprecher der CDU, nur beipflichtend nicken.
Als gebe ein rastloser TV-Junkie die Regieanweisungen mit der Fernbedienung, so zappt sich „Parlazzo“ durch 75 belanglose Minuten. Weder der Dackel der Moderatorin noch ein Double der britischen Königin, das als Running Gag durch die Kulissen stolpert, mildern die Sinnkrise: „Warum diese Show?“
„Ist das Wort das große Superding?“ fragt die Moderatorin den ergrauten Zeitgeist-Experten Mathias Horx. „Irgendwie hat das Kollektiv der Zuschauer Intelligenz herausgebildet“, fabuliert der Trendguru. Jeder baue sich mit der „Wunderwaffe Fernbedienung“ seine eigene „Bildtapete, sein eigenes kleines Kosmößchen“. Unter Umständen greife das Publikum dann „irgendwann“ zum Abschaltknopf – eine Intelligenzleistung, zu der ein Kritiker per definitionem leider unfähig zu sein hat.
Wochenpost-Chef Mathias Greffrath setzt den einzigen Akzent im medialen Durchfall: Der durch die TV-Kanäle zappende Zuschauer könne sich „seine Scheiße heutzutage selber quirlen“ – bei „Parlazzo“ braucht er dazu allerdings nicht einmal die Fernbedienung. Marc Fest
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen