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■ StandbildFankurve Tresen

Fußballspiel England–Polen im irischen Pub, Mi., 20 Uhr

Die Unsitte, in den Kneipen Fernseher aufzustellen, hat in Irland um sich gegriffen. Das „Cross Guns Inn“ im Norden Dublins hat seit seiner Modernisierung gleich drei Stück – einer davon mit Großbildschirm, der jedoch nur zu besonderen Ereignissen eingeschaltet wird. Das Fußballspiel England gegen Polen war ein solches Ereignis: Zum einen hatte Medienzar Rupert Murdoch das Spiel für seinen TV-Sender Sky Sport eingekauft, der nur mit gebührenpflichtigem Entschlüsselungskärtchen empfangen werden kann; zum anderen käme ohnehin niemand auf die Idee, sich ein Fußballspiel allein zu Hause anzusehen – schon gar nicht, wenn Erzfeind England spielt.

Um halb acht war die Kneipe gerammelt voll. Die drei Barmänner zapften Bier auf Teufel komm raus. Um acht Uhr schaltete der Wirt das Licht aus. Schlagartig verwandelte sich die Kneipe in ein Fußballstadion. Nachdem die 70.000 Menschen im Londoner Wembley-Stadion die polnische Nationalhymne ausgepfiffen hatten, antworteten die 300 Leute im Cross Guns Inn mit einem Pfeifkonzert bei der englischen Hymne. „Du irrst dich, wir sind da ganz objektiv“, korrigierte ein Mann seinen Tischnachbarn, einen Touristen aus Manchester, der ihn antienglischer Voreingenommenheit bezichtigt hatte. „Mir ist es völlig schnuppe, wer die Engländer schlägt.“

Auf dem Bildschirm stiftete der Herzog von Kent Verwirrung. Bisher tauchte er nämlich nur einmal im Jahr in der Öffentlichkeit auf: bei der Siegerehrung des Tennisfinales von Wimbledon. Am Mittwoch abend schüttelte er jedoch die Hände der Fußballer, was einen Dubliner zu der Frage bewegte: „Was haben die denn für ein häßliches Maskottchen?“ Der fossile Glücksbringer funktionierte jedoch: Die Engländer gingen in Führung, die sie im Spielverlauf sogar zum 3:0 ausbauten!

Zum Trost legte der Wirt nach dem Schlußpfiff die äußerst umsatzfördernde Videoaufzeichnung vom Spiel der irischen Nationalmannschaft ein, die bereits am Nachmittag Litauen mit 2:0 besiegt hatte. Eine Genugtuung blieb den Dubliner Fußballtrinkern ohnehin: Sky Sport vermeldete, daß das englische Team bei den britischen Buchmachern 40:1-Außenseiter für den Gewinn der Weltmeisterschaft 94 ist, während die irischen Fußballer mit 20:1 gehandelt werden. Ralf Sotscheck

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