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■ StandbildPolit-Kick

„alSo“, Sat.1, So., 11 Uhr

Die Zapper gerieten als erste ins Fadenkreuz des neuen Sat.1- Politik-Magazins „alSo“. Vom mörderischen Tempo der Beiträge bedroht, vom Kugelhagel der Fakten getroffen, sanken sie betäubt aufs Sofa. Dort nahmen sie lediglich noch zuckendes Blaulicht neben den großen Zahlen wahr: 89,2 Prozent der Deutschen fühlen sie nicht ausreichend geschützt, 5,7 Prozent besäßen eine Waffe. Für 27,7 Prozent der Wessis und 42,5 Prozent (!) der Ossis gibt es nur noch die finale Lösung: Todesstrafe. Und die journalistische Feuerwehr kokelt immer munter mit: „Es wird gedealt und gemordet, geklaut und gebombt!“ L.A. und Belfast alSo überall?

Seriös im Sinne einer nüchternen Bestandsaufnahme war das so wenig, wie die kurz eingespielten Info-Filmchen investigativ wirkten. Statt einer Reportage lieferte etwa der hochbezahlte Washington-Korrespondent Kronzucker eine wüste Archivbild-Collage, in der wahllos die Florida-Morde, Schulkinder bei einer Amokschützen-Übung sowie der Wahlsieg des New Yorker Bürgermeisters Giuliani zusammengeschnitten wurden – eine Recherche in der Studio- Dunkelkammer.

Kriminalistische Geduld forderte auch die Live-Diskussion, bei der sich die Polit-Praktiker rasch von der Angstmache absetzten und strukturelle Reformen zur Entlastung der Polizisten forderten. Selbst Manfred „law & order“ Kanther mutiert in diesem Treibhausklima zum Liberalen: Die Verschärfung des Betäubungsmittelgesetzes habe keine Verbesserung der Lage gebracht. Und Türken dürften nicht der drohenden Todesstrafe in ihrem Heimatland ausgeliefert werden. Je deutlicher sich konkrete Probleme in der Sendung herausschälten, desto problematischer wurde ihr auf bloßen soundbites basierendes Konzept. Auf dem irgendwie als Spielfeld linierten Fußboden machte die streng-routinierte Moderatorin Schneiderbanger Punkte: professionell, schnell und oberflächlich.

Dennoch gelang Sat.1 ein erster Fahndungserfolg: „Steffen Heitmann stellt sich.“ Im Interview mit Mertes, oh Schreck, trafen die rhetorischen Befreiungsschläge jedoch bloß den Kandidaten selbst: „Die verschiedenen Positionen sind immer an mich herangetragen worden. Ich bin da ein Stück geführt worden.“ Na alSo – die erste Runde ging klar an Kohls CDU-Team. Ob nächste Woche auch mal die Opposition mit den bunten Sat.1-Bällchen kicken darf? Dieter Deul

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