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■ StandbildMenschliche Mitmenschlichkeit

„5 Minuten Deutschland“ (Sa., 18.50 Uhr, 3 sat); „Guten Morgen Sonntag“ (So., 9.55 Uhr, RTL); „Emmeran“ (So., 13.15 Uhr, Pro 7); „Mein Feind“ (So., 15 Uhr, West 3)

Am siebenten Tag wird es Licht auf der Mattscheibe – diverse Kirchensendungen erbarmen sich ihrer daheimgebliebenen Schäflein. Noch unbefangener etwa als die evangelische Bunt-Postille echt geht die Ökumene bei RTL auf Seelenfang. Die Fünf-Minuten-Glaubensterrine „Guten Morgen Sonntag“ ist den Weltlichen gewidmet, die sich ihre Erbauung selbst besorgen – frei nach der Losung „Einigkeit und recht viel Freizeit“. Clippig aufgemotzte Kurzporträts stellen in sich ruhende Typen vor wie Bruno (57), einst leitender Ingenieur bei „Nukem“, jetzt Bastler von Hunderten Mini-Robotern und Dressman für Fleischklöpse und Arznei. Zwischen Stephen-King-Wälzer und Mountainbike verrät Bruno, daß er „gläubig“ sei – aber in die katholische Kirche, da könne er sich „nicht ganz einordnen“.

Das kommt so easy, daß tatsächlich fünf Minuten genügen. Don't worry – be happy. Nur in den öffentlich-rechtlichen Anstalten nimmt man es noch schwer. Da braucht es die geballte Kraft einer „quantum-Werkstatt des Kleinen Fernsehspiels“, um jenes RTL-Rezept abzukupfern. „Fünf Minuten Deutschland“ zeigt ohne kirchlichen Auftrag sozusagen menschliche Mitmenschlichkeit – eine tapfere Hebamme, die sich nach 34 Jahren Babygeplärr immer noch beherzt freuen kann. Glaube ist Hoffnung und das irdische Dasein oft irre. Die Fantasystories von „Emmeran“, der fleischgewordenen Barockfassadenfigur, künden davon. Der magische Mönch von Pro 7 hext coolen Klau-Kids einfach Asthma an – die Frohbotschaft als Drohbotschaft. Anbiedernd auch hier die Mache („Ich bequatsch' die Tussi, und die klaut die Tasche“) und dünn die Message vom x-ten Gebot. Überzeugungen sind out. Die heilige Dienstleistungsbranche steigt ins Big Business ein – Seelenfrieden frei Haus.

Weil nur noch 20 Prozent der Kunden den Weg zum Kirchen- Counter finden, spendierten die Katholiken sogar 1,5 Millionen Mark für die Sat.1-Sühnekrimikomödie „Schwarz greift ein“. Der Tübinger Theologe Norbert Greinacher sah darin „das Symbol einer kranken Kirche, die Gottes unbedingtes Ja zum Leben nicht mehr vermitteln kann“. Der Mann hat die Dialektik von Angebot und Nachfrage noch nicht verstanden und das elfte Gebot, das da lautet „Genuß ohne Reue“.

So war der ehrlichste Beitrag im religiösen Wochenende, „Mein Feind“, die nüchterne Bilanz einer Fotoausstellung vor einer Kölner Kirche, worin mutige Frauen mit Speer, Messer und Axt ihren Peinigern den Karfreitag versprechen. Heuchelnd klagen im Kaufrausch gestörte Passanten die „Gewaltverherrlichung“ an, um dann heimlich die Plakate mit Messern und Spucke zu traktieren. Das war sie, die echte TV-Offenbarung inmitten all der simulierten Sentimentalitäten. Dieter Deul

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