■ Standbild: Jugend als Quersumme
„Alle lieben Julia“, Samstag, 12.30 Uhr, RTL
Wegen ihrer technischen Implikationen geben Tampons, Kondome und Schwangerschaften relativ sachliche Gesprächsthemen ab, über die sich Angehörige verschiedener Generationen unproblematisch verständigen können. Andere zwischengeschlechtliche Wahrheiten jedoch sind von ungleich komplizierterer Art. Junge Menschen dürfen sie weder von Eltern noch von anderen Erziehungsberechtigten beigebracht bekommen, sonst ist späteres Liebesunglück vorprogrammiert. Dieses von der Natur eingerichtete pädagogische Vakuum füllen pflichtbewußt die Medien, wobei Bravo als Initiationshelferin seit Jahrzehnten Maßstäbe setzt.
Mit „Alle lieben Julia“ bietet nun auch RTL eine pubertätsbegleitende Serie an. Um die lästigen Eltern von vornherein auszublenden, spielt die Handlung im Internat. Die Titelheroine bewohnt mit Sabrina ein kleines, aber geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, das sie schon bald mit Liz teilen müssen. Sabrina findet das zunächst doof, Julia dagegen plädiert für Offenheit: „Hast du mich etwa gekannt, bevor ich eingezogen bin?“ Sabrina: „Nein, ich habe dich nicht gekannt, aber jetzt sind wir gute Freunde.“ Julia: „Na siehst du, so einfach ist das.“
Und Julia hat recht. Schon beim ersten Auftritt merkt man, daß die Neue eine von ihnen ist. Sie trägt die gleichen, pfiffigen H & M-Klamotten und scheint auch mit Jungens Erfahrung zu haben. Damit gibt es für die drei Burschen aus dem Café eine passende Anzahl von Girls. Offen ist nur noch, wer zu wem findet, was nicht ganz einfach wird, denn das „Top-Model“ (RTL-Trendletter) Julia Markgraf sieht mit ihren braunen Locken voller Spannkraft einfach noch etwas toller aus als ihre Zimmergefährtinnen, was Anlaß für Streit und Eifersüchteleien bieten könnte...
„Alle lieben Julia“ variiert das „boys meet girls“-Thema nach bewährter Sitcom-Manier. Wesentlich experimentierfreudiger sind die Macher bei der Anlage der Charaktere vorgegangen. Jugend wird per Quersumme konstruiert: Die sechs Hauptdarsteller werden von Mittzwanzigern gespielt, die wie Achtjährige agieren und reden, als hätten sie die Lebenserfahrung ihrer Eltern. Das entspricht präzise der bundesdeutschen Nölle-Neumann-Norm und müßte der Serie damit rein rechnerisch einen Quotenerfolg auf solidem Fundament bescheren. Dorothee Wenner
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