Standbild: Die Gedanken sind Brei
■ betr.: "Null Uhr Kuttner"
„Null Uhr Kuttner“, Freitag, null Uhr, ORB
Da issa wieda. Doktor Kuttner mit der mangelnden Sprechausbildung und dem um so loseren Mundwerk, arbeitet sich zielstrebig ins prominente Medium TV vor. Sein „Sprechfunk“ hatte den Sprung vom Radio zur wöchentlichen Fernsehrunde längst unternommen; jetzt läuft die beliebte Quasselline jede Freitagnacht – mit neuem Konzept, wie es vorab hieß.
Nun, soviel Neues kann es gar nicht geben, sonst wäre „Kuttner“ nicht mehr das Label, auf das sich seine Fans verlassen können. Immer noch dürfen sie seinen essentiellen Abschweifungen folgen, seinen Themenvorgaben samt dazugehöriger Ergebnisdoktrin. Dabei bilden Kuttners halb kalkuliertes, halb echtes Simpelreden, der halbautomatische Anrufbeantworter, die Bildhintergründe mit dem „kleinen musikalischen Zwischenspiel“ und den lustigen Filmchen des DDR-Fernsehfunks weiterhin die Basis jedes „Null Uhr“-Talks. Nur Überbau und Dekoration wurden ein bißchen verbreitert, sind lustiger und bunter, tuten und fiepen, erheitern mit ulkigen Fotos oder Rolltafeln aus dem Biologieunterricht.
Das zweite „Null Uhr Kuttner“ war der nicht ganz unwichtigen Frage gewidmet, ob und wovon einen Kinder so abhalten. Da hatte man sich unterhaltungsmäßig viel Mühe gegeben, eine Straßenumfrage sowie einen „Lehrfilm“ vorbereitet, in dem Babys gebadet und die Zuschauer von Dozent Kuttner über die Inkontinenz der Blagen unterrichtet wurden. Und dann wurde das Ganze durch den Kulturhistoriker Professor Dr. Mühlberg von der Humboldt- Uni mit einer launigen Prise Wissen aufgewertet. Etwa so: Frau J.S. Bach vergaß immer die Namen ihrer 21 Kinder.
Viel Arbeit, dabei interessiert im Falle „Kuttner“ gar nicht mal so sehr das Thema, sondern eher der verbale Schlagabtausch mit der Kultfigur. Kuttner weiß ja sowieso schon vorher, was bei der (Schein-)Debatte rauskommen soll: „böse Sachen“, „kurze Sentenzen“. Die meisten Anrufer, ob Christian, Bernd oder Karoline, sind davon überfordert, geben sich dem Chaos aus skurrilem Gedanken- und Redebrei aber gern hin. Kuttner selbst brachte die Sache überraschend auf den Punkt: „Wir sind beide im Fernsehen!“ Mensch, klasse. Mit Kuttner ist es halt genau wie mit den kleinen Kindern: Man mag sie, oder man mag sie nicht. Anke Westphal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen