Standbild: Sechsstellige Sorgen
■ Großes Finale: "Hagedorns Tochter"
Großes Finale: „Hagedorns Tochter“, Di., 19.25 Uhr, ZDF
Die letzten Verstrickungen um das Schicksal einer hanseatischen Gewürzdynastie sind nun endlich aufgeräppelt: Die taffe Heldin (Anja Kling) trifft sich am Sylter Strand mit ihrem Darling (August Zwirner). Geigen.
Den herzensguten Halbweltboß (Wolfgang Pöschl) konnte sie eben noch aus dem Knast befreien. Ihr Vater (Hans-Jörg Felmy) wird die Freundin heiraten, deren Tochter, Sprößling aus einer äthiopischen Liaison, in Liebe dem rollstuhlfahrenden Cousin der Felmy-Klings das Laufen beibringt. Die enervierend gluckige Haushälterin kapiert, daß die Familie ohne sie auskommt – und widmet sich alterserotisch einem charmant- alternden Vater eines Zuhälters. Und der Bösewicht wird der Polizei ausgeliefert, eben noch konnte er vor der Vendetta der Arbeiter und den Patrons bewahrt werden. Alles zu Ende, alle am verdienten Schluß.
Und was für Schauspieler! (Vor allem die stets manische Carola Regnier), was für eine Serie: Intrigen, Niedertracht, Liebe und eine Kulisse, die es im deutschen Fernsehen selten gibt. Hamburg! Speicherstadt! Gewürze! Man riecht sie förmlich, die große weite Welt.
Bekanntlich leben alle Hamburger so schick wie die Hagedorns, mal in einer Villa, dann wieder im Landhaus an der Norsee; essen von erlesenem Porzellan und sammeln Briefmarken; fahren nur Edelschlitten und tragen noch den Küchenkittel in der Kaschmirvariante. Sorgen? Nur solche, die jenseits sechsstelliger Summen beginnen. Großes Puschenkino also, ohne echten Realitätsbezug und vordergründige Sozialkritik. Immer passierte etwas. Zappen unmöglich.
Selten durften wir einen dreizehnteiligen Plot gesehen, der so viel Infamie wie Kitsch und Kunst enthielt: Die Hauptrolle in der Person Anja Klings durfte sogar yuppieesk hart sein – und wurde doch nicht vom Drehbuch versklavt, ständig an ihr Dasein als Mutter zu denken.
Wer den Unterschied sehen wollte, konnte später zur ARD rüberschalten: Dort waltete Gerit Kling (Schwester der Helke Hagedorn im wirklichen Leben) als „Gerichtsreporterin“ – fad und bevölkert von Gutmenschen, dazu noch humorlos bis zum letzten Bild.
Man muß das ZDF loben: Sonst heißt es wieder, es war nur gute Unterhaltung. Aber was soll das „nur“? Im deutschen Fernsehen ist das schon 80 Zeilen wert. Jan Feddersen, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen