Standbild: Wenn's zweimal klingelt
■ Zum letzten Mal: "Alarm!"
Zum letzten Mal: „Alarm!“, Montag, 22.10 Uhr, Sat.1
Gibt es ein Leben nach Meyer? Nein. Denn „Alarm kehrt zurück“: Ahnungslos öffnet die allergiekranke sechsjährige Christin am Nikolaustag die Tür – da steht wieder die Sat.1-Reporterin Else Buscheuer. Sie gibt sich sehr einfühlsam, begleitet das an Neurodermitis erkrankte Mädchen ein zweites Mal in den Kindergarten, zeigt betroffen gräßliche Hautausschläge und seufzt mit, wenn Christin statt der nahrhaften Schokoriegel nur Äpfel essen darf.
So sah die Szene auch schon im ersten „Alarm!“-Film vor Monaten aus. Christins Mutter entschuldigt sich für die Doublette: Die Hausmilbenallergie ihrer Tochter gehe „halt nicht von heut auf morgen weg“.
Muß sie auch nicht, so man die Logik dieser Flashback-Features zu Ende denkt. Nicht um Information und echte Hilfe für gleichermaßen Betroffene geht es den „Alarm!“-Beiträgen, sondern um die zwei Seiten der Boulevard-Medaille: Schicksal und Tapferkeit. Klar, „Christin ist auch tapfer“, weiß Else, die nette Besucherin. Sie beweist, wie privat Fernsehen wirklich sein kann – ohne lästige Experten und ratlose Verantwortliche. Nur die Eigeninitiative zählt.
Und ist das Leben nicht wunderschön? Oder etwa nicht? Mit einem dicken Blumenstrauß in der Hand klingelt Reporter Jörg Roth ein zweites Mal bei Silvia Schneider. Sie wurde von ihrem eifersüchtigen Mann im Suff angezündet – und wohnt wieder mit ihm zusammen. Sie sagte sogar für ihn aus, da sie „sonst noch alleiner wäre als zuvor“. Ob ihr Mann noch handgreiflich sei? Das Gesicht mit den vielen Brandnarben verharrt regungslos. Das sind die Charaktere, die das Quotenfernsehen braucht: in Not, hilflos, vertrauensselig. Für jede Aufmerksamkeit dankbar.
Der letzte „Alarm!“ war die Überleitung zu den neuen Meyer-Produktionen „Menschen hinter den Schlagzeilen“ und „Akte 95/1“. Die „Akte“- Reporter sollen, so Meyer, ab Januar „auch den Weg aus dem Tal der Tränen hinaus“ darstellen, zeigen, „wie andere die Dinge in den Griff kriegen“.
Selbsthilfe statt Hilfe? Was bringt das TV-Engagement wirklich? Ein „Alarm!“-Bericht verhalf Familie Hageler zum Versicherungsgeld für die völlig verwüstete Wohnung. Dann flogen sie aus der Versicherung heraus – aus „kaufmännischen Gründen“. Was nun den Hagelers zu ihrem zweiten Fernsehauftritt verhalf. Das ist Dialektik. Dieter Deul
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