■ Standbild: Schubladen-Surfing
„Gegen den Wind“, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD
Anderthalb Stunden ohne Belang, zur Kenntnis genommen am Mittwoch abend, gleich nach der „Tagesschau“: Das TV-Erzeugnis war mit „Gegen den Wind“ betitelt und als Pilotfilm angekündigt. Also ein Vorläufer für eine dreizehnfolgige Staffel von Geschichtlein, die künftig donnerstags im vorabendlichen ARD-Werbeumfeld abgespult werden sollen.
Der Plot ist simpel: Zwei junge, leidlich attraktive Männer, gerade befreit vom Clearasil-Streß und etwas noch vor dem harten Dasein als Erwachsene, spielen Surfer vor St. Peter-Ording, einem Badeort an der Nordseeküste. Es geht um Liebe und Hiebe, um Sieg und Platz, Ebbe und Flut, lädierte Kniescheiben und weggeworfene Prothesen. Wenn nicht Daniela Ziegler als Mutter des einen Helden mitgewirkt hätte, man würde sich glatt zu RTL versetzt fühlen.
Aber der Kölner Privatsender hatte kürzlich erst seine eigenen Pläne zum Dreh einer heimischen Surfserie zu den Akten gelegt. Die Marktchancen wurden als zu ungewiß eingeschätzt. Die ARD hatte in ihrem Pretest mit 14- bis 19jährigen Testpersonen andere – erfolgversprechendere Daten ermittelt: „Mit 69 Prozent erreicht ,Gegen den Wind‘ den bislang höchsten Zustimmungswert aller Pretests der letzten beiden Jahre“, so das Ergebnis des ARD-Media-Focus.
So hofft der Sender nun also, künftig auf einer stattlichen Quotenwelle zu surfen. Aber weshalb nur sollten sich die Kids eine Serie antun, die keinen Thrill bewirkt, keinem Kitsch frönt und überhaupt keinen rechten Stil? „Die Jugend von heute schaut sich TV-Bilder eh nur beiläufig an“, müssen sich die ARD-Autoren gedacht haben, „die Handlung ist denen doch völlig gleichgültig.“ Vielleicht ist „Gegen den Wind“ ja den Jugendlichen gewidmet, weil man der so begehrten Werbezielgruppe gar nicht mehr zutrauen möchte, als sich zwischen Surfbrett und Cola light heimisch zu fühlen.
So fatal kann sich Schubladendenken auswirken. Denn würden die ARD-Macher ihre eigenen Untersuchungen nicht nur dann gründlich lesen, wenn es ihren Projekten dienlich ist, müßten sie eigentlich wissen, daß – entgegen aller Prestest-Euphorien – seltsam viele Alte die „Sesamstraße“ oder Computersendungen gucken, die Jungen hingegen kollektiv beim „Forsthaus Falkenau“ angetroffen werden oder – einst – bei den „Guldenburgs“. Arne Fohlin
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