■ Standbild: Bitte nicht stören / "Nova"
„Nova“, Mi., 21.00 Uhr, 3sat
„Frauen schlafen 17 Minuten länger als Männer.“ – „40 Prozent sind einem Quickie nicht abgeneigt.“ – „Wir erfahren alles“, sagt die Moderatorin Andrea Gries und stellt beherzt fest, daß moderne Menschen dank Medien und Umfragen sogar in „männliche Pinkelrituale“ eingeweiht sind. Die derbe Formulierung suggeriert, Gries sei entschlossen, über alles zu reden; nur worüber genau, werden wir nie wirklich erfahren.
„Privatsache“ heißt das Thema des Nova-Magazins. Mit juristischen Definitionen des „Kernbereichs“ und des „Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung“ soll das Thema eingekreist werden. Doch es entwischt zwischen all den Gesprächen mit Stasi- IMs und Sektenaussteigerinnen. Besucht ein Kamerateam dann „ganz normale Frauen“ in ihren vier Wänden, bleibt es tunlichst darauf bedacht, möglichst viele Spuren zu verwischen, die auf sein Eindringen in fremden Wohnraum hinweisen könnten. Keine Off-Stimme durfte die Intimität stören. Interviews als Homevideos.
Nova wirbt zwar nicht im pauschalen Rettet-die-Serengeti-Ton für den Schutz des Familialen vor Öffentlichkeit. Es vergißt auch nicht, vor den staatlichen Maßnahmen im Zeichen einer anwachsenden Sicherheitshysterie zu warnen. Doch Privatsphäre ist nicht nur das Gegenteil von Öffentlichkeit. Sie ist auch der Bereich, in dem ausgebeutet und mißhandelt wird, in dem die Ehe zur autarken Institution des Faustrechts mutieren kann. An diesen „Privatsachen“ wollte das allzusehr um Diskretion bemühte Magazin nicht rühren. Erst ein Schnelldurchlauf am Ende umreißt Stoffe (sexueller Mißbrauch, Beratungszwang bei Abtreibungen), aus denen kontroverse Diskussionen zum Thema gemacht sind. Birgit Glombitza
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