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■ StandbildÖko-Kaisers alte Kleider

„Doppelpunkt Reportage: Kann denn Mode Sünde sein?“, Mittwoch, ZDF, 21.00 Uhr

Auf den Baumwoll-Blues haben Sigrid Faltin und Peter Ohlendorf verzichtet. Sie ummäntelten ihren launigen Bericht aus der Öko-Modewelt mit Roy Orbisons flottem 1965er Country- Rock „Pretty Woman“ sowie nachgestellten Szenen aus dem gleichnamigen Tränendrücker. Sozusagen öffentlich-rechtlich- privates Infotainment. Das Milliardärs-Liebchen wirft sich in den kompostierbaren Straps, und der Inder schuftet beim partnerschaftlichen Wirtschaften weiter am giftigen Färberbottich.

Pretty Woman wühlt inzwischen weiter im Stoff, aus dem die Alpträume sind. Ein Pfund Chemikalien geht für die Herstellung von einem Pfund Baumwollstoff drauf. Nimm's leicht, nimm Hanf – damit geht die puristische Öko-Fraktion in die Offensive – mit garantiert AKW- freier Energie. Aber auch das bringt wieder Frust: „Auf die Dauer langweilig“, nölen Jungkäufer in der Boutique über den beigen Uni-Look.

Nicht von der Stange war jedoch diese Reportage. Im modischen Stil-Mix trug sie zusammen, was die Info-Szene hergab. Harte Recherche inklusive einer sprichwörtlichen Enthüllungsstory über des Öko-Kaisers alte Kleider, dazu die Modeshow à la „Videofashion“ und der lakonische O-Ton gedankenloser KäuferInnen. Wie raunte Julia Roberts im neuen Altman-Film so ironisch: „Einfach prêt-à-porter!“ Die beiden Autoren haben mit charmanter Unbefangenheit die Absurditäten des Kleidergeschäfts zur tragikomischen Reportage-Revue zusammengestellt. Wie steht es etwa um das verantwortliche Handeln bei Hertie, wenn es dem Management selbst nach drei Monaten nicht möglich ist, Herkunft und Farbstoffe eines seiner Blazer zu bestimmen?

Haupt- und Nebenwidersprüche allenthalten: Bauern klagen, daß es Kredit nur für den Kauf neuer Chemikalien gebe. Warum? Und ist es tatsächlich Fortschritt, wenn durch den Boykott umweltschädlicher indischer Textilmanufakturen dort der Geldhahn erst mal ganz zugedreht wird? Warum ist bei Baumwolle nicht möglich, was bei lateinamerikanischen Kaffee-Kooperativen funktioniert: nämlich der faire Preis? Da bekam die fesche Reportage doch erste Laufmaschen, blieb am rostigen Nagel der verqueren Verhältnisse hängen, statt entwicklungspolitisch Flagge zu zeigen. Dieter Deul

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