■ Standbild: Dekadent-rassistisch
„Fliege“, Montag, 16.03 Uhr, ARD
Moderator Jürgen Fliege hat Gäste geladen, die eine Reise gemacht und also etwas zu erzählen haben. „Es wird lustig!“ verspricht der Mann mit den Reptilienaugen. Seine ersten Talkgäste sind Rotraud und Hans Joachim Strohmeyer. Sie haben die Dominikanische Republik mit der Insel Sylt verwechselt und sind deswegen bei einer Tour zu einem abgelegenen Strand ausgeraubt worden. Teufel aber auch.
Das ist wirklich lustig, Moderator Jürgen Fliege hat nicht zuviel versprochen. Deutsche Touristen im Fernurlaub treffen auf eine fremde und seltsame Welt. Werner Leidl-Kafka zum Beispiel landete zwar nicht gerade bei den Kannibalen im Kochtopf. Aber beinahe wurde er in Kenia gegrillt. Seine Feriensiedlung brannte ab. Ach ja richtig, da gab es noch „ein Schwarzen-Dorf“, das ist auch noch abgebrannt. Die Erzählung von Herrn Leidl-Kafka ist wirr. Das einzig Klare ist sein entspannt-naiver Rassismus, der munter über anonyme „Schwarze“ plaudert.
Interessant an dieser Talkshow war, daß nicht wie vor zwanzig Jahren fette, pausbäckige Spießer, sondern überangepaßte, braungebrannte, schlanke Männer mit kurzen Haaren und zart gegliederten Bewegungen von ihren Alpträumen in Übersee berichten. Marco und Günther etwa sitzen so artig nebeneinander auf ihren Stühlen, als gäbe es keine Bosheit auf dieser Welt. Mit dem Auto sind die beiden gepflegten jungen Männer durch Honduras gefahren, bis Marco mit diesem Radfahrer mehrmals „Blickkontakt“ hatte. Plötzlich „flog der durch die Luft“, und er fuhr den Wagen in den Graben.
Leicht verletzt, nörgeln die beiden an der Sauberkeit des Arztes: „Der Herr im weißen Kittel, weiß in Anführungszeichen“. Günther rennt mit einer dicken Hand durch den Ort und beschwert sich, daß ihm keiner Eis gibt. In Honduras. In Deutschland, im Studio, lacht niemand über diesen dekadenten Mist. Obwohl doch Herr Fliege versprochen hat: „Es wird lustig!“ Am Nachmittag kommt das Fernsehen zu sich selbst und wird zur Geisterbahn. Manfred Riepe
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