■ Standbild: Gegendarstellung
Noch einmal: „Fisch mit Fahrrad“, Dienstag, 22.15 Uhr, ZDF
Manchmal sieht der Fernsehzuschauer etwas anderes, als er erwartet. Das soll dann so sein. Manchmal sieht der Zuschauer auch etwas anderes, als in der Zeitungsankündigung steht. Das sollte dann nicht so sein.
Aber manchmal sieht eben auch der Fernsehkritiker einen ganz anderen Film als den ursprünglich angekündigten. So wie am vergangenen Dienstag bei „Allein gelassen“ fühlten wir uns da nach Sichtung der Vorabkassette von Christa Ritters und Rainer Langhans' „anderem Sportbericht“ über den extremsporttreibenden Büroleiter des Berliner Bürgermeisters Klaus Haetzel. Allein mit den halluzinatorischen Bildern, fragten wir ratlos: „Was sind das bloß für Orte?“ Eine interessante Erfahrung. Allein: Der Zuschauer machte sie vorgestern nicht. „Eigentlich ein Stummfilm“, hatten wir geurteilt, doch der Zuschauer kriegte mehr, er kriegte Worte, und nicht zu knapp.
Was dazwischen war, blieb ihm verborgen, es sei denn, er sah sich auch den Nachspann an: „Regie: Christa Ritter und Rainer Langhans“, stand da, aber dann „Textgestaltung: Meinhold Fritzen“. Fritzen ist der zuständige ZDF-Redakteur, und zwischen den beiden kurzen Rolltiteln liegt ein handfester Zoff. Ritter und Langhans wollten einen „Film von innen“, und von innen, sagten sie, kommt kein Text, jedenfalls kein vierseitiger Kommentar. Doch ein Redakteur ist Redakteur, damit er aus einem Kunstfilm ein TV-Stück macht, das zum Programm des Senders paßt und vor allem: aus dem der Zuschauer nicht flieht. Jetzt schütten die Worte alle Fragen nach Sinn, alle Wünsche nach Flucht zu. „Ich bin die Straße zwischen Zeit und Ewigkeit“, erklärt uns der Fernsehlautsprecher, während sich Klaus Haetzel über die Straße zwischen coast und coast arbeitet. Keine Fragen. „Ich tauche tiefer als die Träume“, hört der Zuschauer und sieht seltsame blaue Reflexe. Aha, denkt er, Träume! Worte domestizieren Bilder. Den Worten dankt es Klaus Haetzel, daß er nicht mehr verloren ist in den Bildern. „Ich trainiere das Träumen.“ Solche Sätze produziert er am Stück. Der Redakteur hat sie aus Haetzels Buch genommen. Das der nach dem Rennen geschrieben hat. Die Worte kommen also von außen. Sagen die Regisseure.
Vorgestern waren sie selbst Zuschauer. Ein sehbarer Film, geben sie zu. Und ein lehrreicher Konflikt. Lutz Meier
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