piwik no script img

■ StandbildEine Frage der Zeit

„Am Morgen danach“, Montag, 19.25 Uhr, ZDF

Das Idyll des Schweizer Alpendorfes vor beeindruckender Bergkulisse suggeriert: Hier ist die Welt noch in Ordnung. Arbeit, Tod und Trauer befinden sich am richtigen Ort. Den schroffen Charme des Ländlichen vermittelt Regisseurin Gabriela Zerhau zu Beginn ihres Films ohne Musik und ohne Sprache. Mit wenigen Gesten, Blicken und genauen Kameraeinstellungen umreißt sie den Kosmos eines abgelegenen Bergdorfes. Wir befinden uns nicht auf einem Designer-Bauernhof, und auch die Schauspieler agieren nicht wie die üblichen „ZDF-19.25-Uhr-Mimen“.

Die dramatische Konfliktsituation ist zwar klischeehaft, doch die Art, wie Gabriela Zerhau die Geschichte aufzieht, ist zunächst nicht uninteressant. Der seit einem Unfall stumme Markus (nicht schlecht: Jürgen Vogel) hat von seinem Ziehvater ein Waldgrundstück geerbt, auf dem der geschäftige Bürgermeister Dobler (überzeugend: August Schmölzer) ein lukratives Tourismuszentrum errichten will. Weil die Landwirtschaft schlecht geht, findet Dobler schnell die Unterstützung der restlichen Bauern.

Der scheue Sonderling Markus hätte dem virilen Potenzbullen Dobler nichts entgegenzusetzen. Erst mit Hilfe der toughen Schwester aus der Stadt nimmt Markus den Kampf gegen den Platzhirsch Dobler auf. Doch die Anfangs Hoffnung und Stärke verbreitende Figur der Katharina (gut: Julia Stermberger) erweist sich als brüchig. Ihre Karriere in der Stadt war eine Lüge; sie ist arbeits- und charakterlos. Sie opfert die Liebe zu ihrem Bruder, um sich bei der erstbesten Gelegenheit ausgerechnet dem feisten, geifernden Widerling Dobler hinzugeben.

Handwerklich hat der Film streckenweise Kinoformat. Auch die Geschichte meidet Klischees und Happy-End. Dennoch erlahmt das Interesse in dem Maß, wie der Film sich gegen Ende allzu theatralisch auf seine drei Hauptfiguren konzentriert. Die differenzierten und atmosphärisch überzeugenden Milieubetrachtungen, die dem Fernsehspiel zunächst seine Kontur verliehen, greift die Regisseurin bald nicht mehr auf. So stark „Am Morgen danach“ begann, so sehr versinkt er am Ende in schalem Negativ-Pathos: Vom Kunstfilm zur Gebirgs-Seifenoper: Am Ende war das ganze doch für 19.25 Uhr beim ZDF richtig programmiert. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen