■ Standbild: Hausbesetzung
„Einer wie keiner“, Dienstag, 20 Uhr, Sat.1
Macht das wirklich glücklich, wenn man mit Gespons von einer Reise nach Hause kommt und feststellt, daß Fritz Egner samt Sat.1-Produktionsteam sich des Privatesten, der eigenen Wohnung nämlich, bemächtigt hat? Ist es tatsächlich ein Kompliment, diesen notorischen Schmeich- und Seichtler als Hausbesetzer zu wissen?
Der Kinderarzt aus dem Rheinischen, der am Zweiten Weihnachtstag die Hauptrolle in der neuen Sat.1-Show „Einer wie keiner“ einnahm, hatte keine Wahl: Sein Wohnzimmer wirkte zerstört mit all den Bekannten und Freunden, die auf Egners Geheiß dort Platz nahmen. Er lächelte tapfer – man will sich ja nicht blamieren.
Das Spiel mußte nicht groß erläutert werden: Egner & Co. gucken sich für ihre Überraschungsshow ein Opfer aus. Kein Prominenter soll es sein, sondern einer aus dem Fußvolk, eben „Einer wie keiner“. In den Niederlanden kennt man diese Sendung unter dem Titel „TV masqué“, das Original-Format wurde inzwischen mit der „Goldenen Rose von Montreux“ preisgekrönt.
Auch hierzulande sind die Helden des Alltags keine Unbekannten mehr – Hape Kerkeling hat es uns bei der ARD schon etliche Male „Warmumsherz“ gemacht. Unter Zuhilfenahme der gleichen Idee, die auch Egner als Vorlage dient. Hier wie dort müssen wir nun also fürchten, es uns um unsere Mitmenschen derart verdient gemacht zu haben, daß wir, quasi als Spendenquittung – plötzlich von einem ganzen Team von TV-Menschen umschwärmt werden. Diese Art Überraschungen fürchteten wir bislang nur von der „Versteckten Kamera“. Doch wo die sich der menschlichen Neigung zur Schadenfreude bedient, muß Egner passen: Die Sendung läuft schließlich um 20 Uhr – und Helden des Alltags sind schließlich Gutmenschen, und die dürfen natürlich keinesfalls böse beschämt werden.
Und während Hape Kerkeling sich in seiner Show immerhin die jahrelangen Erfahrungen als Kaffeefahrtenanimateur zunutze machen kann, muß der „Dingsda“-Onkel (vom Image her selbst ein potentielles Opfer für seine eigene Show) gänzlich passen. Also schaute man die Sendung letztlich an wie ein Fotoalbum, bei dem der Inhaber keine Geschichten dazu erzählt: Lauter Schnappschüsse, die durch nichts erklärt werden – und Egner, wie immer uncharmant und stets aufs Mitlächeln und Mitschmunzeln bedacht, unternahm auch nichts, den Mann wirklich zum Helden zu machen.
Es hätte ja gereicht, den Kinderarzt und seine ehrenamtlichen Helfer bei seinen diversen Dritte-Welt-Komitees mal länger zu Wort kommen zu lassen, statt nur ständig neue Gäste zu präsentieren, die der Held so lange nicht gesehen hat: Da blieb kaum mehr für ihn übrig, als sich immer wieder hastig an die Stirn zu schlagen. Aber was hatte er, was hatten wir davon, daß die Weather Girls auch noch mitmischen? Gelegentlich wirkte der gute Kinderarzt selbst gelangweilt: Das war dann für uns ein Trost. Hier fühlte einer mit uns mit.
Es spricht nichts für einen Dauererfolg dieses „einmaligen Showspektakels“ (Pressetext). Und da, keine Frage, wird einem dann endlich ganz warm ums Herz. Jan Feddersen
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