■ Standbild: Kunden und Unkunden
„Sonne nur sonntags“, Mittwoch, 21.15 Uhr, Hessen 3
Eine Reportage über die Junkies in der Frankfurter Hauptbahnhof-B-Ebene hätte weder ein Redakteur ins Programm genommen, noch hätte sie Zuschauerinteresse geweckt. Deswegen muß Ulrike Gehrings Film über „Leben und Arbeit im Frankfurter Untergrund“ sich selbst überlisten. Die Reportage beginnt wie man es erwartete: Pendlerstrom auf der Rolltreppe im Zeitraffer; Zahlen, Daten, Fakten; und Gespräche mit VerkäuferInnen über ihren Job ohne Tageslicht.
„Sonne nur sonntags“ wäre wohl einer dieser erbaulichen Kulturfilme geworden, hätte nicht eine der interviewten Verkäuferinnen irgendwann betroffen über junge Frauen erzählt, die an Aids sterben. Hier geht förmlich ein Ruck durch den Film. Die Kamera wendet sich von den prall gefüllten Auslagen ab. Plötzlich sehen wir jede Menge zahnloser Penner. In der Terminologie der Deutschen Bahn: „Unkunden“. Die „schwarzen Sheriffs“ vom privaten Sicherheitsdienst setzen einen „Unkunden“ unsanft an die Luft. Zwecklos. Zehn Minuten später kommt er durch einen anderen Eingang wieder herein.
Sonne hin, Sonntag her: Plötzlich befinden wir uns in einer spannenden Sozialreportage. Die „Tellerminen“ – so werden die „schwarzen Sherriffs“ genannt – führen einen akribischen Kleinkrieg gegen die Berber. „Die Ossis“ prügeln am lustvollsten, geben die Penner unisono zu verstehen. Das sei eine „übertriebene Lüge“, bestätigt unfreiwilligerweise einer vom Wachdienst.
Mit wenigen Bildern zeigt der Film, wie die sozial Ausgestoßenen sich in den verwinkelten Ecken der postmodernen Einkaufspassage festgesetzt haben. Sie kotzen in achteckig designte Papierkörbe, zwischen Glasaufzügen und Neon-Altären stechen sie sich die Nadel in den Arm. Sie verkörpern die Obszönität einer Architektur, die so tut, als gäbe es dieses Elend nicht.
Neben solch starken Momenten, in denen klar wird, daß die Junkies zu dieser Architektur dazugehören wie das Silikon in den Ritzen, gibt es verbale Ausrutscher. Die Reporterin verabschiedet sich von einer Junkie- Frau mit den Worten: „Alles Gute!“. Auch der betuliche Kommentar, der sich über die starken Bilder legt wie Mehltau, gibt dem Film leider immer wieder eine touristische Distanz. Manfred Riepe
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