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■ StandbildPure Katastrophensülze

„Fähre in den Tod“, Sonntag, 20 Uhr, Sat.1

Eineinhalb Jahre ist es her, daß die estnische Autofähre „Estonia“ in der Ostsee sank. Knapp 900 Menschen ertranken damals. Die Erinnerungen an diese Katastrophe sind noch lebendig genug, daß sich ein großes Fernsehpublikum an Begriffe wie „Bugklappe“ oder „Zertifikate“ erinnert. „Fähre in den Tod“ heißt der Film zur Katastrophe, für den man sich die Werbung eigentlich sparen konnte. Die Katastrophe selbst hatte für diesen „Stoff“ schon genügend Publicity gemacht.

In Heiner Carows Film gibt es keine Actionszenen. Dafür hat das Budget offensichtlich nicht gereicht. „Fähre in den Tod“ ist also kein richtiger Katastrophenfilm, dafür aber als Film eine Katastrophe. Der dramaturgische Ablauf ist uninspiriert und ohne jedes Gespür für Spannung eingefädelt. Der Regisseur hatte offenbar keinerlei Interesse an Details, die die Atmosphäre auf dem Fährschiff hätten beschreiben können. So vermittelt der Film dem Zuschauer nicht die geringste Vorstellung davon, was es heißt, an Bord gewesen zu sein. Er zeigt weder die engen Gänge und schmalen Treppen, noch die drängenden Menschenmassen – nichts sinnlich Vorstellbares.

Statt dessen konzentriert sich der Film auf eine Handvoll Personen, die zu Beginn mit kurzen Szenen eingeführt werden – „zufällig“ die Überlebenden. Allein deren chargenhaftes Gebaren vor der späteren Untersuchungskommission soll eine Vorstellung von der Katastrophe vermitteln. Dem eigentlichen Unglück widmet sich die filmische Aufmerksamkeit nur am Rande. Die Geschichte reduziert sich darauf, daß der skrupellose Reeder Van Damme seinen Versagersohn Clas zwingt, das Schiff in den Sturm zu steuern. Die Fähre sinkt, weil der Reeder Sicherheitszertifikate hat fälschen lassen. Alles nur Geblubber.

Nicht einmal verbal wurde die Dramatik der Katastrophe rekonstruiert. Und mit einer präzisen, detailgenauen Darstellung der technischen Hintergründe hätte der Film wenigstens ein sachliches Interesse am Thema bekunden können. Aber nichts da, der Zuschauer wird gnadenlos ertränkt wie die – wirklichen – Opfer der Estonia. Diesmal allerdings in purem Tränengesülze: Clas' Freundin Mareike, die Tochter des guten Kapitäns, so scheint es jedenfalls, hat nämlich mehr Wasser in den Augen als die gesamte Ostsee faßt. Manfred Riepe

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