■ Standbild: Die Ware Heino
„Die dicksten Dinger“, RTL2, Donnerstag, 20.15 Uhr
Echt kultig, würde Papa Knorr es nennen, was sich die Leute von der Milberg Fernsehproduktion da ausgedacht haben. In Zweitverwertung ihrer Spots, die sie sowieso für die Werbesendung „hotzpotz“ brauchen, schickten sie doch glatt den semmelblonden Volksbarden in die Pappkulisse, damit der „die besten Werbespots der Welt“ zeigt und über sein Leben erzählt: „Ich kann es ja sagen, weil wir eine Werbesendung sind, ich fahre einen Mercedes.“
Also, Heino vor die geblümte Kitschtapete gestellt, die Symbole der Jugendkultur zitiert und alte Cannes-Rollen entstaubt, damit der Sänger nicht nur Familienfotos zeigt. Natürlich kann man es schrill finden, wenn Gattin Hannelore durch die Pappkulisse stöckelt und die Pointen mit einem Timing setzt, als sei Frau Sommer ihre Lieblingsschauspielerin. Man kann es auch schräg finden, wenn Heino hinter Flaschenbodengläsern auf den Teleprompter giert und hölzern seine Witze spricht. Man kann es schräg finden oder peinlich. Oder beides.
Warum ausgerechnet Heino die kreativen Werbeblöcke aus dem Ausland unterbricht? Nicht nur, weil McDonald's den volkstümlichen Markenartikel zum Kult erklärte und ihn die dicksten Dinger präsentieren ließ. Schließlich war Heino der erste Marketingexperte des deutschen Schlagers, der als Markenzeichen ein blondes Haarteil und eine schwarze Brille definierte. Während Freddy auf hoher See Heimweh bekam und Rex Gildo in Mexiko Sonnenbrand, eroberte Heino die Marktnische in Wald und Flur. War seine Klage gegen Südwestfunk-Slogan „Heino darf bei uns nicht singen, den müssen andere Sender bringen“, nicht auch eine Klage über den Zustand der deutschen Werbung? War sein gerichtliches Vorgehen gegen Heino-Imitat Norbert Hähnel nicht auch ein Statement gegen die „Me too“- Positionierung? Und hat ein Text wie „Ja, ja, die Katja, die hat ja nur Wodka im Blut“, nicht allen Kreativen gezeigt, was verbale Jonglierkunst ist?
Die neue Heino-Strategie heißt Diversifikation. Betäubte er die Jugend schon einmal mit einem Enzian-Rap, droht jetzt der „Dicke Dinger“-Song die Hitparaden zu blockieren. Garniert mit hüpfenden Girlies in heißen Höschen, gibt Heino heute zu, daß ihn an der schwarzen Barbara nur besagte Dinger reizten. Das ist die Ware Heino. Dirk Nitschke
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