■ Standbild: Meditieren für den Führer
„Kulte, Führer, Lichtgestalten“, Do., 23.00 Uhr, ARD
Wer heute seinen Müll trennt, ganzheitlich bewußt lebt und an die harmonische Lösung seiner seelischen Probleme glaubt, ist fast schon ein Faschist. Die Parallele zwischen (Öko-)Esoterik und latentem Rechtsextremismus ist keine groteske Verzerrung, sondern eine ernst zu nehmende Tendenz, die Klaus Bellmund und Kaarel Siniveer in ihrer Dokumentation „Kulte, Führer, Lichtgestalten“ aufgezeigen und an vielen Beispielen belegen.
Wenn die Märchenvereinigung der Troubadure versucht, „eine Waschmaschine heile zu meditieren“, so zählt dies noch zur üblichen Weltfremdheit der Esoteriker. Doch wenn bei der Vollwerternährung am Edersee „die kleinen braunen Bohnen den Weg zu einer weißen Rasse“ ebnen, dann erweist sich ein harmloses Linsengericht als weit gefährlicher als der Pfälzer Saumagen.
Rassistisches Druckwerk, neuerdings bunt, leuchtend und lebensfroh aufgemacht, steht im Regal neben der Kraft der Edelsteine, dem Pendeln und der Bioenergetik. Im gar nicht mal so klein Gedruckten der „Mazdazna“-Sekte heißt es: Die Weißen haben „einen Nervenfaden voraus, der sich von der Zwirbel zur Stirnmitte in das Gebiet des Denkwesens zieht“. Meditiere den Adolf Hitler!
Die Machart der Dokumentation war stellenweise unnötig reißerisch. Mit versteckter Kamera besuchte „unser Informant“ Veranstaltungen und Feste von Esofaschos, was man ein bißchen grell hat raushängen lassen. Neben dem lobenswert investigativen Bemühen, die Parallelen konkret zu belegen, wäre es sehr interessant gewesen, ein paar Worte über die schleichende Entwicklung zu verlieren, wie Esoteriker mit ökologisch keimfreiem Gewissen heim ins Reich geführt werden.
Die Bilder des Films geben darauf immerhin implizit Antwort. Wenn die blonde Tante aus dem Eso-Buchladen, die so aussieht, als ob sie eben von der schwul-lesbischen Fahrraddemo kommt, die Runensteine auf den Tisch legt und erklärt, daß „das eben unsere Wurzeln sind, dieses Germanische“, dann brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, wenn bald in stiller Transzendenz das Hakenkreuz geschlagen wird.
Wer's nicht glaubt, möge einen „Fernkurs für Heiden“ mitmachen oder einen Leserbrief schreiben, in Runenschrift. Manfred Riepe
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