piwik no script img

■ StandbildMobbing in der Mafia

„Tatort: Frankfurt–Miami“, So., 20.15 Uhr, ARD

„Er hat nichts mehr zu befürchten, weder Schnupfen noch Durchfall“, sagt der Mafioso Kemal über seinen Boß, dem er eben die Kehle durchschnitten hat. Kemal ist ein gut gekleideter Emporkömmling der Türkenmafia. Um seinen Boß auszubooten, hatte er die eigenen Lieferantinnen aufgeschlitzt, die Heroin nach Paris schaffen sollten.

Gegen diesen klaren Fall von Mobbing in der Mafia ermittelt der französische Kommissar Etchegoyen mit seiner Kollegin Clara, die nur auf der Bettkante sitzt und scharf aussieht. Etchegoyens Frankfurter Kollege Brinkmann ist auf den darstellerischen Aktionsradius eines Derrick eingeengt. Währenddessen streift der französische Bulle durch ein hauptsächlich bei Nacht und Regen fotografiertes Frankfurt, in dem die Drastik der Drogen- und Puffszene auf Designformat reduziert ist.

Die an die Werbeästhetik heranreichende Sorgfalt der Fotografie erzeugt eine etwas sterile, überstilisierte Atmosphäre. Das Spezifische des Schauplatzes Frankfurt wird nur selten eingefangen. Etwa beim Blick auf die Skyline von der Eisenbahnbrücke aus, wo Mario, der Rüde, immer wegläuft.

Statt dessen wird während dramaturgisch unnötig in die Länge gezogener Szenen in der Sauna viel heiße Luft geredet: „Das Leben ist eine Geschichte, die von einem schwachsinnigen Idioten erzählt wird.“

Leider trifft dies zuweilen auch auf Drehbuchautoren zu. Hätte der Mafioso Kemal nicht in jeder zweiten Szene von Herzen beteuert, daß er „schon mit Fünfzehn“ gemordet hat und deswegen schwer gefährlich ist – wir hätten ihn für einen Protagonisten aus dem Spot „Mein Freund ist Ausländer“ gehalten. Seinen besten Auftritt hatte Kemal, als er sich von der Nutte, die er eben noch schlug, selbst auspeitschen ließ. Während die Polizisten und die Bösewichte blaß blieben, dominierte Anne Jacquemin als Domina Bea.

Ansonsten paßte nicht viel zusammen in diesem fragmentarisch erzählten „Tatort“. Eine Dramaturgie, die dreimal hintereinander ähnliche Szenen im Reisezug nicht vermeidet, vermag auch keine Spannung zu erzeugen. In diesem deutsch-französischen Stilleben um einen Pariser Bullen, der es wie viele Pariser Bullen mit einer Prostituierten hat, fehlte die ordnende Hand. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen