■ Standbild: Saubere Beaches
„Miami, Miami!“, So., 22.15 Uhr, ARD
Gut zwei Stunden bevor der gute alte „Berliner Nachtschwärmer“ Jürgen Boettcher der nachtschlafenden Nation mal wieder die Mittelmäßigkeit der Berliner Chansonniere-Szene zwischen „Bar jeder Vernunft“ und „Volksbühne“ nahezubringen suchte, war Kollege Claus Kleber für die ARD bereits im sonnigen Miami gewesen. Und als wäre Kleber bei Altmeister Boettcher in die Kommentarschule gegangen, nannte er Miamis South Beach zunächst einmal den „Treffpunkt eines bunten Volkes“. So waren denn auch Vokabeln wie „schrill“ und „Paradiesvögel“ nicht weit und ebenso unverzichtbar wie der klischeegetrübte Blick des amerikareisenden Durchschnittsreporters, der nur zu gern dem weitverbreiteten Irrglauben unterliegt, einen Ort nach der „Schönheit“ seiner Menschen zu beurteilen.
Am South Beach nämlich sind die mindestens so gut gebaut wie die alten Art-deco- Hotels und die eigenwillige Bauhauskitsch-Meile von Morris Lapidus. So sieht das jedenfalls Baulöwe Tony Goldman, der den heruntergekommenen South Beach vor etwa zehn Jahren zu reaktivieren wußte: „Die ganze Gegend war von Drogendealern verseucht. Da haben wir erst mal Ordnung gemacht. Mit Baseballschlägern über der Schulter rein in die Häuser und den Junkies erklärt: Die Drogenparty ist vorbei.“ Goldmans Baseballschläger scheinen damals ganze Arbeit geleistet zu haben. Wie sonst wäre es zu erklären, daß wir in Klebers „Beobachtungen“ nur erfolgreiche Modefotografen, erfolgversprechende Models und Multimillionäre zu Gesicht bekommen? – Ermordete Touristen jedenfalls sind in Miami nicht nur Vergangenheit, sondern auch schlechte Interviewpartner. Christoph Schultheis
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