■ Standbild: Nicht für jeden
„37 Grad: Die neuen Verlockungen der Seelenkünstler“, Di., 22.15 Uhr, ZDF
Frau Heinz zum Beispiel hatte ein Problem. Doch derweil die Hausfrauen der 60er Jahre noch unter einem „problem that has no name“ (Betty Friedan) litten, wußte Hausfrau Heinz ihr Problem immerhin zu benennen: „Nicht-mehr-Auto-fahren- können“. Anderthalb Jahre lang litt sie unter „Panikattacken im Auto“, konnte schließlich nur noch Fahrrad fahren. Inzwischen kann sie wieder Gas geben; die Erinnerung an den letzten Sinai- Urlaub und das in Filzstiftfarben gemalte „magic word“ autofahren haben sie geheilt.
NLP (Neuro-Linguistic Programming) nennt sich die Kurzzeittherapie, mit der sich nicht nur manch überflüssige Phobie, sondern sogar das Rauchen abgewöhnen bzw. gut Geld verdienen läßt. Und eine Reportage läßt sich darüber natürlich auch produzieren.
Was die (oft gar nicht so üble) ZDF-Reportagereihe „37 Grad“ über den umstrittenen „psychologischen Allzweckreiniger“ NLP zu berichten wußte, war allerdings ebenso entbehrlich wie das Problem von Frau Heinz. Als wäre sich 37 Grad-Autor Ulli Rothaus nicht so ganz sicher, ob am „faulen Psychozauber“ nicht vielleicht doch was dran ist, hangelte er sich von einem erfolgreichen NLP- Therapiebeispiel zum nächsten, derweil der Off-Kommentar zwischen spöttischem Säuseln und wohlmeinender „Gesundheitsmagazin Praxis“-Berichterstattung schwankte. Dafür hatte Rothaus zwischendurch sogar – „...ein Produkt der Hier-und- Jetzt-Gesellschaft“ – noch Zeit für ein wenig kryptischen Antiamerikanismus, bis er zu seinem durchweg überzeugenden Resümee ansetzte: „In diesem Sinne: NLP funktioniert. Nicht für alles. Nicht bei jedem.“ – Wie eine ZDF-Reportage eben. Christoph Schultheis
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