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■ StandbildDreck am Stecken

„Einsatz Hamburg Süd“, Di., 18.55 Uhr, ARD.

Sie arbeiten in einem ganz anderen „Großstadtrevier“, die beiden jungen Kommissarinnen Carla Simon und Sema Aslan. In Wilhelmsburg, einem südlichen Stadtteil in Hamburg, der durch den Dioxinhügel Georgswerder zu bundesweiter Bekanntheit kam und deshalb nie von Omnibussen bei Stadtrundfahrten angesteuert wird. Kleinbürgern ist das hafennahe Viertel – von der Innenstadt durch die Elbe in jeder Hinsicht getrennt – die ideale Folie für xenophobische Anflüge. In Wilhelmsburg wohnen nämlich viele Ausländer, vor allem solche aus der Türkei.

Die Vorabendserie „Einsatz Hamburg Süd“ ist genau dort angesiedelt. Die ersten zwei Folgen lassen jetzt schon den Schluß zu: Die 13teilige Staffel sollte nicht die letzte bleiben. Regisseur Christian Görlitz, der nach Büchern von Burt Weinshanker arbeitet, hat versucht, eine schwierige Balance zu schaffen: Einerseits mußte er dem familiengemäßen Sendeplatz Tribut zollen, andererseits dem Milieu möglichst gerecht werden.

Der Akt ist ihm und seinen Schauspielern gelungen. Das Multikultifrauenduo (Muriel Baumeister und Meral Perin) agiert so, wie man es sich auch in der Wirklichkeit vorstellen kann. Erzählt werden Episoden, die den Ausländer an sich nicht adeln und den Deutschen nicht zum Schwein erklären.

So wird weder etwas beschönigt noch dreist schlechtgeredet: Fernsehen mit Dreck am Stecken. Die Botschaft: Daß alle, die in diesem Stadtteil leben, irgendwie gemeinsam über die Runden kommen müssen. Auf diese Weise bleiben normale Polizeikonflikte nicht ausgespart: Die deutsche Kommissarin beklagt, nicht einfach mal zuhauen zu dürfen, ihre türkische Freundin und Kollegin versteht sie dabei prächtig.

Die ganze Chose wirkt angenehm frisch, die Musik nicht süßlich, die Bilder schon mal verschwommen und verwackelt. Wenn die Macher der neuen Reihe noch mutiger wären, wenn sie gar riskieren würden, sich weiteren Zorn der Wilhelmsburger zuzuziehen, dann könnte es eine deutsche Serie schaffen, an ihre besseren amerikanischen Vorbilder anzuknüpfen. „Die Aufrechten“ (Titel des preisgekrönten Originals: „Law & Order“) zum Beispiel zeigt, freitagnachts um halb eins auf RTL, wohin die Dramaturgie und das handwerkliche Geschick dieser neuen ARD-Reihe gehen könnten. Jan Feddersen

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