■ Standbild: Plausible Familie
„Einfach nur Lustiger sein“, Mo., 22.30 Uhr, WDR
Arno Lustiger hat sechs Konzentrationslager überlebt und in vielen Büchern die verfälschte Geschichte über den jüdischen Widerstand korrigiert, den es angeblich nicht gegeben hat; seine ältere Tochter Gila schreibt über Deutschland im Faschismus; Rina, die jüngere, hat schon in 40 Wohnungen gelebt und malt nackte Frauen; und dann ist da noch das bekannteste Familienmitglied: Jean-Marie Lustiger, vom Judentum zum Katholizismus konvertiert, heute Erzbischof von Paris.
Malte Rauch beschreibt in seinem Familienporträt vier intelligente und integre Menschen, die dem Zuschauer auch die vermeintlichen Widersprüche in ihrer Geschichte – der polnische Jude Arno Lustiger ließ sich nach 1945 ausgerechnet in Frankfurt nieder – plausibel machen können. Sogar Jean- Marie, einer der höchsten Würdenträger der katholischen Kirche in Frankreich, macht einen hellsichtigen Eindruck. Womöglich ist die katholische Kirche dort grundsätzlich sympathischer. Immerhin hat sie kürzlich ihre Mitschuld am Mord französischer Juden öffentlich eingestanden.
Rauch zeigt teils sehr private Bilder, ohne aufdringlich oder obszön zu wirken. Der Schwerpunkt liegt auf Arno Lustiger, und Rauch begleitet ihn unter anderem in seinen Geburtsort Bedzin und in ein Harz-Dorf, wo er im KZ gefangen war.
Daraus resultiert die einzige Schwäche: Gila und Rina Lustiger kommen zu kurz, besonders die sprunghaft wirkende jüngere Schwester. Vielleicht wird das dereinst kompensiert in einem TV- oder Kinofilm. Doch ist es in dieser Republik (zumindest derzeit) niemandem zuzutrauen, so ein Projekt in angemessener Form umzusetzen. René Martens
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