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■ StandbildDie Vor-Liebe

„Ferienliebe“, 20.45, arte

Mickael ist ein rotbackiger Dickmoppel vor dem Stimmbruch. Inbrünstig singt er die Liebesschnulze mit, zu der Emilie und Chloä tanzen. Die Mädchen äffen romantische Erwachsene nach und kichern. Julien rasiert sich sogar schon, obwohl er noch nicht müßte. „Er braucht drei Stunden, für jedes Barthaar eine“, lästern die Mädchen.

Françoise Davisse und François Landesmann haben drei Wochen lang mit Mädchen und Jungen zwischen zehn und zwölf in einer Ferienkolonie gelebt. Ihr Film über „Ferienliebe“ vermittelt einen ungeheuer angenehmen Eindruck von Akzeptanz und Nichteinmischung. Es gibt keine dummklugen Erwachsenenkommentare, und Fragen stellen die Filmleute nur, wenn es gar nicht anders geht – dann sehr leise.

Vielleicht hat sich diese Dokumentation wundersam von selbst gedreht. Julien, Maxime, Emilie und die anderen wirken vollkommen unbefangen, beim Schönmachen für die Fête, beim Tanzen. Die Jungen reichen den Mädchen knapp bis zur Schulter. Wen findet man blöd, wen klasse, und wer geht mit wem? Das sind so Fragen — alle Aufregung wert, nicht die blöden Berge ringsum. Das Herzklopfen leuchtet Maxime aus dem Kindergesicht.

„Ferienliebe“ hält genau die Waage: Davisse und Landesmann liefern weder einen Schinken über die süße Kindheit ab, noch weiden sie den Humor mancher Szenen besserwisserisch aus. Verlegenheit hat sich im vorpubertären Ferienalltag schon breitgemacht, Intimität fordert man noch nicht. Jungen und Mädchen schreiben sich Liebesbriefe auf kindlichen Comic- Karten, die bald zu Kartoffelchips im kleinen Kreise vorgetragen werden. „Maxime hat seinen Brief von meinem abgeschrieben! Puh!“ „Ich hab mehr Sätze geschrieben!“ Dann ist Emilie plötzlich traurig. „Einem guten Freund kann man vertrauen, einem Liebsten nicht.“ Man weiß nicht genau, ob die Kinder all ihre Groschenheftsätze schon erlitten haben, oder ob sie sie einfach nachplappern.

Einmal schämt sich der mopplige Mickael ein bißchen, das ist, nachdem er „Ich liebe dich“ gesagt hat. Zaghaft setzt er im Mamboschritt über den Parkplatz. Wenig später schnieft er vor Enttäuschung, weil Emilie sein Geschenk nicht trägt. „Am Anfang ist man ganz oben. Aber wenn man ihnen einmal seine Liebe gestanden hat, ist man da unten.“ Anke Westphal

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