■ Standbild: Frohsinnsinferno
„Macht Wein weise und gesund?“, Mo., 22 Uhr, MDR
Eine Musik, die grausam changiert zwischen dezenten Panflötenkeyboards und quietschendem Bandoneon- Getröte schlimmster Krawzcyk-Observanz – so werden sie gezeigt, weinselige Frohsinnsattrappen, die, so dürfen wir fast dem Autor unterstellen, sein Verständnis von Partyspaß zelebrieren. Das Gemütlichkeitsinferno spielt sich in „Mitteldeutschland“ ab, genauer im Saale-Unstrut-Gebiet, und die Dokumentation soll einstimmen auf eine Handvoll tausendmal gehörter Fragen und Sowohl-als-auch-Antworten.
Macht Wein weise? Kreativ? Schön? Gesund? Immun? Hirn- und Weinforscher äußern dazu, was man in jedem Damenblättchen periodisch seit Jahren nachlesen kann. Neu: die Erotiktips. Erst ein Gläschen Weißen, dann ein Gläschen Roten, dann ein Gläschen Sekt. Begründung: Beim Weißen denkt man an Dummheiten, beim Roten sagt man sie, beim Sekt macht man sie.
Was aber soll das? Macht Wein auch dumm? Häßlich? Zum Frührentner? Und wen interessiert das im Sendegebiet des MDR, einer von Rosentaler Kadarka verjauchten Diaspora, angefüllt mit Spätlesejunkies (Müller Erben, 2,50 Mark), die die Weine noch nach „süß“ und „sauer“ klassifizieren und Weinhändler selbst in größeren Städten die Ausreiseantragsformulare stets in Griffnähe halten?
Auf immerhin 1.000 Jahre Weintradition schaue man in der „Toscana des Nordens“ zurück. Ob aber der genuine MDR-Zuschauer noch davon Notiz genommen haben wird? Wohl kaum. Der lag um die Zeit schon seit zwei Stunden, Gebiß im Kuki- Glas, in seiner Furzmulde und delirierte der nächsten Kaffeefahrt entgegen.
Und wir haben uns erst mal ein gutes Pilsbier aufgemacht. Michael Rudolf
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