■ Staffelts Abtritt und das Dilemma der Hauptstadt-Parteien: Der Traum vom guten König
Kein Zweifel, der Berliner SPD-Landesvorsitzende Ditmar Staffelt hat seiner Partei einen Dienst erwiesen. Der Verzicht auf seine Ambitionen, neben dem Fraktions- und Parteivorsitz auch die Spitzenkandidatur anzustreben, mag ihm gerade vor dem Hintergrund des guten Abschneidens der hauptstädtischen SPD leichter gefallen sein. Dabei hat sich die Partei erstmalig vor der CDU als stärkste Berliner Partei plaziert. Wichtiger noch: als einzige Partei, die in beiden Hälften der bewußtseinsmäßig nach wie vor geteilten Stadt nahezu gleich stark abschnitt. Das hat Staffelt, dessen gesamte Amtszeit von parteiinterner Kritik begleitet war, befriedigt zur Kenntnis genommen. Zugleich aber war auch ihm klar, wie wenig er persönlich zu diesem Wahlerfolg beitragen konnte. Als Binnen-Moderator geschätzt, traute ihm kaum ein Genosse zu, Wahllokomotive zu sein.
Liegt der Regierende und CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen bei den Berlinern in der Popularität weit vor seiner Partei, ist es bei Staffelt genau umgekehrt. In seiner zweijährigen Amtszeit hat er es nicht vermocht, aus der Position eines Nobody herauszukommen. Schlechte Aussichten also für einen Wahlerfolg bei den Abgeordnetenhauswahlen, von denen die Sozialdemokraten ein Ende der ungeliebten Großen Koalition erhoffen. Staffelts Stärke gründete allein auf der fehlenden personellen Alternative. Als vor wenigen Tagen die in Berlin ob ihrer pragmatischen Art populäre Senatorin Ingrid Stahmer ihr Interesse an einer Spitzenkandidatur anmeldete, war Staffelts Rückzug absehbar.
Was seinen Abtritt ins allgemeine Interesse rückt, ist die Personalschwäche beider Regierungsparteien in der Hauptstadt. Ein Personal, gewachsen und versteinert in den Gräben des Kalten Kriegs, bevölkert immer noch die Führungsetagen. Politischer Weitblick wird durch solides Handwerk ersetzt, statt beharrlicher Identitätsstiftung erfolgt der Griff zum geborgten Image etwa bei der glücklosen Olympiabewerbung. Insbesondere die CDU, deren starker Mann Klaus-Rüdiger Landowsky die Ostberliner regelmäßig mit Geldentzug abstrafen möchte, wenn die mal wieder zuviel PDS wählen, hat dieser Mangel zu einer Zwanzigprozentpartei in Ostberlin schrumpfen lassen. Als Alternative zu Diepgen aber sind nur die nach rechts schielenden Mannen um den früheren Verteidigungsminister Rupert Scholz sichtbar – kaum erfolgsträchtig.
Was SPD und CDU im tiefsten Herzen eint, ist die Sehnsucht nach dem guten König. Dies ist der Humus, auf dem der kurzlebige Traum eines Bürgerkönigs Edzard Reuter gedeihen konnte: wie in Mauerzeiten Hilfe von außen, importierte Gewißheiten für eine Stadt, die immer noch nicht weiß, was sie werden will. Eine Erneuerung aber vermag nur aus Berlin selber kommen. Die SPD zumindest scheint das zu begreifen. Gerd Nowakowski
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