Stadtökologie: Mehr Grün ist möglich
Aus Kostengründen wird es 2014/15 keine Nachpflanzungen von Straßenbäumen geben. Das bedeutet ein Verlust von etwa 1.600 Exemplaren
Herbstzeit ist Pflanzzeit. Doch die derzeit in den Boden gebrachten Nachwuchs-Bäume sind die letzten, die die Stadt bis 2016 im öffentlichen Bereich pflanzt. Das hat der grüne Umweltsenator Joachim Lohse bei der letzten Ausschuss-Sitzung des Umweltbetriebs Bremen bestätigt.
Städtisch finanzierte Nachpflanzungen sind demnach weder 2014 noch 2015 möglich, da das vorhandene Geld für die Sicherheitskontrolle und Pflege der vorhandenen Bäume benötigt werde. Pro Pflanzvakanz spart das Umweltressort eigenen Angaben zufolge 550.000 Euro. Mit dieser Maßnahme setzt es eine aktuelle Empfehlung des Landesrechnungshofes um – garniert mit dem Verweis auf andere Großstädte wie Hamburg, Köln oder Berlin, wo ähnlich verfahren werde.
Bislang hatte das Umweltressort immer bestritten, dass zu wenig Mittel für die Grünpflege vorhanden seien. Als die taz im März über die unangekündigte Verdoppelung der Fällquote in der Sägesaison 2012/13 berichtete, schloss das Ressort finanzielle Gründe kategorisch aus. Dass pflegebedürftige Bäume entfernt würden, um langfristigen Kontroll- und Rückschneideaufwand zu vermeiden, sei nicht vorstellbar. Der Erhalt der Bäume habe „immer Priorität“, im Übrigen sei die Stadt verpflichtet, jeden gefällten Baum zu ersetzen.
Nicht nur ökologisch, auch ökonomisch wäre eine solche Prioritätensetzung in der Tat klug: Eine Baumfällung kostet 700 Euro, die jährliche Pflege eines Baume mit durchschnittlich 34 Euro weniger als ein Zwanzigstel. Anders gesagt: Der finanzielle Aufwand einer Baumfällung entspricht den Kosten einer 20-jährigen Pflege.
Doch mittlerweile beziffert das Umweltressort den Mehrbedarf des städtischen Umweltbetriebs auf 400.000 Euro. Regelhaft ist der Betrieb, der in der Bevölkerung immer noch als „Stadtgrün“ bekannt ist, mit zwei Millionen Euro jährlich ausgestattet. Die fehlenden 400.000 Euro sollen zunächst auch aufgebracht werden, sagt das Ressort – sie würden aber komplett benötigt, um die Pflegerückstände abzubauen. Denn: Der Pflegeaufwand der Straßenbäume habe sich seit 2007 von 24 auf 34 Euro pro Baum erhöht, was an der deutlichen Zunahme von Totholz liege. Der reine Kontrollaufwand wiederum, vor zehn Jahren noch bei 290.000 Euro, habe sich „durch weitergehende fachliche und rechtliche Anforderungen“ verdoppelt – von einer Minute auf zwei Minuten. Die „Ersterfassung“ eines Baumes schlägt in dieser Systematik mit acht Euro zu Buche.
Dass die Produktivität bei den Mitarbeitern des Umweltberiebs zu steigern sei, wie der Landesrechnungshof ebenfalls zur Diskussion stellt, ist nicht zu erwarten. Die Krankenquote bei den Gärtnern hat sich einer internen Statistik zufolge von 7,86 Prozent in 2005 auf 10,55 Pozent in 2012 gesteigert. Auf der Kostenseite sieht der Betrieb aber nun offenbar selbst neue Möglichkeiten: Um auf die negativen Entwicklungen zu reagieren, plant der Umweltbetrieb nun ein Baumpaten-Modell. Die Neupflanzung eines Jungbaumes kostet rund 800 Euro, dafür dürfen die Paten dann beim Pflanzen dabei sein und erhalten eine Urkunde.
Zunächst jedoch gilt: Falls sich die Fällsaisons 2014 und 2015 wieder auf den bisherigen Durchschnittswert halbieren, wird Bremen in den kommenden beiden Jahren insgesamt 1.600 Bäume verlieren. Aber immerhin ist dann zu hoffen, dass die Pflegerückstände im Bestand abgearbeitet werden. Unter den rund 70.000 stadtbremischen Straßenbäumen sind immerhin 1.467 älter als 90 Jahre.
Die Linkspartei nimmt die Problematik der Grünpflege zum Anlass, der politischen Konkurrenz zuzusetzen: „Für die Schuldenbremse nehmen die Grünen im Kauf, dass die Stadt grau und billig wird“, sagt deren umweltpolitischer Sprecher Klaus-Rainer Rupp. Die Grünen ihrerseits bieten für solche Kritik eine Steilvorlage, in dem sie erst im Oktober ihr Positionspapier für „Mehr Grün“ veröffentlichten. Darin heißt es: „Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels sind Grünflächen und Bäume wichtige Elemente des Klimaschutzes bzw. der Klimaanpassung. Sie sorgen für ein angenehmes Mikroklima in heißen Sommern und einen Puffer bei Starkregenereignissen.“ Hierüber herrscht Konsens.
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