■ Stadtmitte: Fusion Berlin-Brandenburg
Berlin hat schon im August 1990, zu einer Zeit, als Brandenburg sich noch nicht artikulieren konnte, im Einigungsvertrag die Öffnung des Grundgesetzes für eine erleichterte Neugliederung des Raumes Berlin-Brandenburg vorbereitet. Die Regierungen der beiden Länder haben sich nun grundsätzlich darauf geeinigt, innerhalb von sieben Jahren ein neues Land zu schaffen, das vom Fläming bis zum Oderbruch und von der Priegnitz bis zur Lausitz reichen wird. Am 14.Januar 1993 steht eine entsprechende Ergänzung des Artikels 118 des Grundgesetzes in der Gemeinsamen Verfassungskommission auf der Tagesordnung. Das neue Land, dessen Namen noch keiner kennt, wird mit sechs Millionen Einwohnern und einer Fläche von fast 300.000 km2 zu den fünf größeren deutschen Ländern zählen. Es wird anders als viele der nach 1945 geschaffenen Länder eine Geschichte haben, die mit Leistungen und Verfehlungen der deutschen Geschichte besonders verbunden ist. Dieses Land wird gute Traditionen und böse Gefahren deutscher Politik zu bedenken geben. Es wird in dem Maße Einfluß auf die deutsche Politik gewinnen, wie es aus der neuen Struktur auch an wirtschaftlicher Statur gewinnt.
Die Festlegung auf eine Neugliederung des Raumes Berlin- Brandenburg hat also eine über die beiden Länder hinausreichende Bedeutung. Wer Berlin- Brandenburg als Fortsetzung der Berliner Kommunalpolitik mit anderen Mitteln betrachtet und nur an „Speckgürtel“ und die Zukunft der Berliner Bürokratie denkt, wird das leicht vergessen. Es geht um eine neue Qualität in der deutschen Politik, die erreicht wird, wenn man sich hier für die Einordnung in eine größere Einheit entscheidet.
Vielleicht ist in Westdeutschland sogar früher erkannt worden, daß mit der Vereinigung von Berlin und Brandenburg auch die Frage nach der Neugliederung des gesamten Staates gestellt wird. Die Eltern des Grundgesetzes hatten den Zuschnitt der Länder für unzulänglich gehalten und in Artikel 29 festgelegt, daß Deutschland spätestens zwei Jahre nach der Wiedervereinigung neu zu gliedern ist. Das nur noch aus der Festlegung der Besatzungszonen von 1944 erklärbare Land Bremen gehörte schon damals zu den Problemgebieten. Doch 1976 ist das Verfassungsgebot aufgehoben worden, zumal es nach dem Beitritt des Saarlandes 1957 mißachtet worden war.
Statt Länder zu schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit ihre Aufgaben wirksam erfüllen können, sind früh Finanzausgleich und Finanzhilfen als Krücken in die Verfassung eingebaut worden. Dazu gehört auch die Stadtstaatenklausel, die die Unvernunft der politischen Klasse von Bremen noch belohnt. Als Ergebnis bekommen heute im Westen drei Länder sogar die Kosten ihrer politischen Führung von anderen bezahlt, ab 1995 werden es wohl zunächst neun der 16 Länder sein. Die ausgehaltenen Landesfürsten sind eine Gefahr für den Bundesstaat. Sie können kaum Politik ohne Rücksicht auf ihre Geldgeber machen.
Wenn Berlin und Brandenburg ihr Neugliederungsvorhaben verwirklichen, wird mancher es schwerer haben, seine Autonomie „auf Pump“ zu rechtfertigen. Das ist das wirklich provozierende Element der Politik für Berlin-Brandenburg. Damit kann sich der Osten Deutschlands als der Ort erweisen, wo Probleme konsequent und mit Sinn für die Realitäten angegangen werden, wie es auch für Deutschland als Ganzes zu wünschen ist. Dieter Schröder
Der Autor ist Professor für Verwaltungsrecht an der FU und war unter dem rot-grünen Senat Chef der Senatskanzlei.
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