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■ StadtmitteOlympia in Berlin – kein Thema in USA

Sie sind überall, die „Berlin 2000“-Schilder, die nichtsahnende ausländische BesucherInnen – sprich mich – schon am Flughafen begrüßen. Die Schilder hängen in der Empfangshalle in zigarettenschwangerer Luft, kleben an Taxis und Bussen. „Berlin 2000“-Broschüren liegen an Post- und Bankschaltern aus. „Berlin 2000“-Flaggen krönen Büro- und Amtsgebäude. Sie schmücken sogar polizeiliche Einsatzwagen.

Aber so harmlos-knuddelig er auch schaut, Berlins Olympia- Bär hat es trotz millionenschwerer Werbekampagne schwer, gegen Sydneys Känguruh oder Pekings Koalabär zu konkurrieren. Denn um die Gunst des Olympischen Komitees zu gewinnen, muß das Maskottchen auch über den langen Schatten der deutschen Geschichte springen. Bis jetzt allerdings ist die Nachricht von Berlins Olympia-Kandidatur kaum über den großen Teich gedrungen. In den USA jedenfalls wird fast nur von Peking und Sydney als Bewerberstädte gesprochen.

Während der gelbe Olympia- Bär einem überall entgegenstrahlt, hat man es als Berlin-BesucherIn schwer, Restbestände der DDR aufzustöbern. So gründlich sind schon die Spuren verwischt. Die Mauer, das Symbol des Kalten Krieges, schmückt zwar die Schreibtische alter Krieger in Washington. In Berlin kann man jedoch nur Stücke zu Wucherpreisen bei Straßenhändlern am Checkpoint Charlie kaufen. Die S-Bahn-Station Marx-Engels-Platz sucht man auch vergebens. Sie heißt nun wieder Hackescher Markt. Der Palast der Republik, einst Vorzeigeschild der DDR, muß sich verstecken hinter der nachts angeleuchteten Plastikfassade des alten Stadtschlosses. Alles was irgendwie an die alte Mangelwirtschaft, an miesepetrige Bedienung und Schlangestehen erinnert, ist „out“ – sogar die Sprache. In Buch„shops“ in Ostberlin wird der letzte DDR- Duden für 2,50 DM gehandelt. Niemand will ihn mehr. Die westdeutsche Version mit dem grell- gelben Umschlag verkauft sich besser, trotz des höheren Preises von 34 DM. Läden im ehemaligen Ostberlin nennen sich jetzt „Leistungsshops“, „Service Centers“ oder auch gleich „Store Number One“. Am Alexanderplatz werden „Donuts“ verhökert. Damit es auch ältere Ossis verstehen, preist dasselbe Schild sicherheitshalber auch „Süße Backringe“ an. Im Westen der Stadt ist die Amerikanisierung freilich noch weiter fortgeschritten. Aber die US-Fixierung hat auch Vorteile: Der Umgangston in Berlin ist vor allem unter jüngeren Leuten sehr freundlich, aufgeschlossen und locker. Berliner sind so gewandt im Englischen, daß AmerikanerInnen sich auch ohne Deutschkenntnisse durchschlagen können, was der amerikanischen Sprachfaulheit entgegenkommt.

Spätestens wenn ein Busfahrer sich weigert, mich an der Haltestelle aussteigen zu lassen, weil ich nicht vorher auf den Knopf gedrückt habe, oder wenn einer seiner Kollegen mich nicht einsteigen läßt, weil der Bus, statt genau an der Haltestelle, ein oder zwei Meter weiter vor der roten Ampel steht, dann wünsche ich mir, daß die Berliner sich noch ein bißchen mehr den Amis angleichen. Das würde sich dann auch gut vermarkten lassen in der nächsten „Berlin 2000“-Promotion. Barbara Steuart

Die Autorin ist Journalistin aus Kalifornien.

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