■ Stadtmitte: Olympiabewerbung und kein Ende
Für Berlin war es eine sehr teure Nacht, die der Regierende Bürgermeister am 23. September 1993 in Monte Carlo verbracht hat. Beim Vergabepoker des IOC für die Olympischen Sommerspiele 2000 dabeizusein, hat sich Berlin über 200 Millionen DM kosten lassen. Damit hat Berlin die teuerste Bewerbung in der Geschichte der Olympischen Spiele präsentiert.
Was hatte Berlin davon? Einen Imagegewinn, wie die Protagonisten der Bewerbung beteuern? Richtig ist, daß Berlin mit der Bewerbung viel Aufmerksamkeit erheischt hat. Das fing an mit den Bildern vom Dinner für IOC-Mitglieder auf den Stufen des Pergamon-Altars wie zu den Spielen 1936 und ging weiter mit den Dossiers der Olympia GmbH – selbstverständlich ohne Wissen des Aufsichtsratsvorsitzenden E. Diepgen – über Trinkgewohnheiten und sexuelle Neigungen der IOC-Mitglieder. All dies hat dem Image von Berlin nicht genutzt, sondern geschadet.
Für die Stadtentwicklung hat die Bewerbung eine Verzögerung und neue Probleme gebracht. Durch die Konzentration von Geld, von Women-/Man-Power auf die Olympischen Spiele wurden Aufgaben der Hauptstadtplanung vertrödelt. Statt auf allen Ebenen für eine zügige und demokratische Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom Juni '91 einzutreten, reiste E. Diepgen auf Schleimspuren IOC-Mitgliedern rund um die Welt hinterher und buhlte um ihre Gunst. Im Stadtbild zeugt die Brache auf dem Gelände des ehemaligen „Stadions der Weltjugend“ vom geplatzten Märchen von der privaten Finanzierung der Olympiahalle. Im Vorgriff auf Goldmedaillen verteilte Bausenator Nagel beim 30 Millionen DM teuren Abriß des Stadions aber für einige Firmen schon goldene Nasen. Und noch im Sommer 93 erteilte er so viele Aufträge für Olympiasporthallen, daß bei den für Berlin bevorstehenden Sparmaßnahmen nicht die Schwimm- und Sprunghalle, sondern der Bau von Kitas gestrichen wird. Statt eines Schubs für die Stadtentwicklung hat die Bewerbung damit eine Konservierung von Defiziten in der sozialen Infrastruktur gebracht.
Selbst die finanziellen Folgen der Olmpiabewerbung waren mit der IOC-Entscheidung für Sydney nicht abgeschlossen. Der Olympia-Geschäftsführer, Dr. A. Nawrocki, erhielt zu seinem 360.000-DM-Jahresgehalt, dem Dienstwagen, den Spesen, den Bodyguards noch eine Abfindung von 50.000 DM, um die Gesellschaft zu liquidieren. Das tat er mit Hilfe dreier Reißwölfe auch gründlich, wobei der Aufsichtsratsvorsitzende E. Diepgen selbstverständlich davon nichts wußte. Wie dumm. Es treffen noch weitere Rechnungen ein, zum Beispiel jüngst 912.000 DM Mietnachzahlung für das Ribbeckhaus, den Sitz der Olympia GmbH. Die SteuerzahlerInnen werden noch Jahre die Quittung von den Banken bekommen, denn bei der absolut defizitären Haushaltslage des Landes erfolgte auch die Olympiabewerbung auf Pump. Noch im Jahr 2000 werden über 25 Millionen DM an Schuldendiensten dafür zu zahlen sein, daß anno 93 E. Diepgen und die Große Koalition eine Nacht in Monte Carlo verbracht haben.
Nur die Spuren darüber sind von Reißwölfen zerfetzt, wofür das Geld im einzelnen verschwendet wurde, welche IOC- Mitglieder so zerlumpt in Berlin ankamen, daß ihnen neue Klamotten gespendet werden mußten, wie viele Figaros für ein nettes Aussehen der entscheidenden Köpfe Sorge trugen und welche Geschenke sich die greisen Herren der Ringe, dieser undemokratischen, feudalistischen und korruptionsnahen Institution IOC, auf Kosten der BerlinerInnen darbringen ließen. Michaele Schreyer
Ehemalige Umweltsenatorin und Abgeordnete für das Bündnis 90/ Die Grünen
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