piwik no script img

StadtgesprächHilflos und verwundbar

Nach dem Bombenattentat stehen die Menschen immer noch unter Schock. Einigen hilft beten

Nicola Glass aus Bangkok

Stronger Together“ steht beschwörend auf dem Plakat am Metallzaun außerhalb des Erawan-­Schreins in Bangkok. Daneben eine Trauerbotschaft in Gedenken an die Opfer des 17. August: „Rest in Peace”. Der alte Eingang zur Pilgerstätte an der Straßenkreuzung Ra­tcha­prasong ist gesperrt, die Besucher müssen einen anderen Zugang benutzen. Mehrere Polizisten sind vor Ort, vereinzelt auch Militär.

Im Inneren des Areals, das seit Mittwoch wieder geöffnet hat, scheint alles so wie immer – so wie vor dem verheerenden Bombenattentat am Montagabend, in dessen Folge 20 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt wurden. Die Luft ist schwer vom Duft der Räucherstäbchen und Blumengirlanden. Vor dem Erawan-Schrein, der dem Hindugott Brahma gewidmet ist, beten die Menschen. Der Anschlag ist das beherrschende Thema in Thailands Hauptstadt. Viele Schreinbesucher sind gekommen, um den Toten und Verletzten Respekt zu erweisen. So auch der Thailänder David Teeyakrit: „Wir stehen unter Schock und haben Angst, vor allem, nachdem wir erfahren hatten, wie viele Menschen am Montagabend getötet und verletzt wurden. Aber wir hoffen, dass die Polizei den oder die Täter möglichst schnell erwischt.”

Doch bislang hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt. In den Medien und sozialen Netzwerken kochen die Spekulationen hoch, auch angeheizt durch die widersprüchliche Informationspolitik der Autoritäten: Erst am Donnerstag hatte ein Sprecher der regierenden Junta erklärt, der Bombenanschlag gehe wahrscheinlich nicht auf das Konto international operierender Ter­ror­gruppen. Letztlich ausschließen aber wollten Junta und Polizei nichts. Schließlich hat Thailand erklärt, man wolle Interpol um Hilfe bitten.

David weist auf die belebte Kreuzung Ratchaprasong jenseits des Zauns: Auch dort sei viel Gewalt passiert, sagt er in Erinnerung an die Massenproteste der „Rothemden“ vor mehr als fünf Jahren. Die Rothemden sind Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten, früheren Premierministers Thak­sin Shinawatra und dessen ebenfalls entmachteter Schwester, Exregierungschefin Yingluck Shi­na­watra. Im Mai 2010 waren die Kund­gebungen der „Roten“, die Neuwahlen gefordert hatten, von der Armee niedergeschlagen worden. Dies war bislang eines der dunkelsten Kapitel während Thailands politischer Krise, die von 2006 bis zum jüngsten Putsch im Mai vergangenen Jahres wiederholt eskaliert war.

Dennoch sei jener Konflikt nicht mit dem Bombenattentat vergleichbar, meint David: „Die rivalisierenden Lager haben vor allem gegeneinander gekämpft, sie wollten aber keinesfalls, dass Touristen ums Leben kommen.“

Tommy Goh, ein Thai-Ma­lay­sier aus Penang, hatte großes Glück. Eigentlich habe er am Montag gegen 19 Uhr, als die Bombe detonierte, den Schrein besuchen wollen. Doch sein Taxi habe sich verspätet: „Ich hatte wirklich einen Schutzengel.“

Gerade weil der Anschlag an einem der belebtesten Plätze Bangkoks wie aus heiterem Himmel kam, fühlen sich viele Menschen verwundbar – und hilflos. „Als ich hörte, dass es sich um ein Netzwerk handeln soll, bei dem vermutlich auch Landsleute von mir involviert waren, dachte ich, oh mein Gott“, so die Thailänderin Moo, die weiße Rosen gekauft hat. „Tief im Herzen kann ich mir so etwas nicht vorstellen, ich mag es mir nicht vorstellen“, sagt die Reiseleiterin, die sich wenige Stunden vor dem Anschlag noch am Schrein aufgehalten hatte.

Äußerlich scheint es, als habe es diesen tragischen Abend nie gegeben: Der Verkehr fließt, die Blumen- und Souvenirverkäufer sind zurück. Anderswo in der Metropole erscheint das Leben ebenfalls normal.

Wie brüchig die Lage ist, beweist ein Vorfall, der sich im Nachhinein zwar als nichtig herausstellt, aber zunächst für Panik sorgt: Vor einem Kaufhaus, ein paar Kilometer Luftlinie vom Erawan-Schrein entfernt, lässt ein junger Mann einen blauen Koffer stehen und hastet in das Gebäude: Als die Umstehenden dies mitbekommen, machen sie, dass sie wegkommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen