Stadtgespräch: Zum Teufel mit dem König
Kein Privatstrand. Nun ist der saudische Herrscher empört aus Cannes abgereist
Rudolf Balmeraus Paris
Die Journalisten sind derzeit nicht besonders willkommen in den eleganten Geschäften entlang der Strandpromenade La Croisette in Cannes an der Côte d‘Azur. „Wegen euch werden wir den König verlieren!“, schimpfen die Geschäftsleute der Luxusboutiquen und Souvenirläden. Die Rede ist vom saudiarabischen König Salman. Er ist nach einer kurzen Woche Urlaub in seiner Sommerresidenz in Vallauris abgereist und erholt sich nun in Marokko. Die aufgebrachten Verkäufer und Ladenbesitzer sind überzeugt, dass ihr vornehmer und legendär reicher Sommerfrischler aus Ärger über die schlechte Presse in Frankreich so kurzfristig samt seines zahlreichen Gefolges abgezogen ist.
Tatsächlich blieb dieses Jahr die Ankunft des Königs, der die immense Villa in Vallauris samt dem Thron von seinem Vater geerbt hat, nicht unbemerkt. Da dieser spezielle Gast eine Persönlichkeit ersten Ranges ist und auch von den örtlichen Geschäftsleuten sehnlichst erwartete wurde, wollten die südfranzösischen Behörden alles tun, um seinen Aufenthalt so angenehm und vor allem sicher vor jeglichen Bedrohungen oder unangenehmen Störungen zu gestalten. Es war gerade dieser Übereifer, der bei manchen Bewohnern das Fass des Ärgers über die Vorzugsbehandlung zum Überlaufen brachte.
Den üblichen Strandgästen und Fischern wurde per Dekret der Zugang zur hübschen Bucht „La Mirandole“ unterhalb des fast einen Kilometer langen Anwesens der saudischen Königsfamilie untersagt. Der Tunnel, durch den sie sonst von der Straße aus im kristallklaren Meer baden gingen, wurde mit einem Metallgitter zugesperrt, und auf dem Sandstrand wurde eine Betonplattform gegossen, damit für Ihre Majestät, den betagten König Salman, ein Aufzug für seinen Transport auf den Strand installiert werden konnte.
Wie Jean-Noël Falcou, ein Oppositionspolitiker in Vallauris-Golf-Juan, bemerkte, lagen für diese Bauarbeiten keine Bewilligungen vor! In Frankreich aber müssen die letzten Ufermeter vor dem Meer von Gesetzes wegen öffentlich sein! Die von Falcou lancierte Petition gegen die „Privatisierung“ des sonst für alle zugänglichen Strands hatte mit mehr als 150000 Unterschriften ein unverhofft starkes Echo. Die Proteste wurden noch heftiger, als verlautete, auf Wunsch des Wahhabiten-Königs seien zwei weibliche Mitglieder der Polizeieskorte durch Männer ersetzt worden.
Seither ist der König zutiefst beleidigt abgereist. Die Anwohner atmen auf, sie bekommen ihren Strand zurück. Aber die Kaufleute bleiben untröstlich: Haben diese stupiden Kritiker nicht verstanden, dass dieser Gast eine fast unerschöpfliche Einkommensquelle darstellt? Doch die Gegner aller Privilegien für Monarchen sind erst recht in Fahrt gekommen. Sie haben herausgefunden, dass die saudische Königsfamilie sich auf Kosten der französischen Steuerzahler im Krankenhaus behandeln ließ und Rechnungen in der Höhe von 3,7 Millionen Euro unbeglichen blieben.
„Kinkerlitzchen!“, bekommen sie als Antwort. Was sind 3 Millionen im Vergleich zu den Verträgen im Wert von 11 Milliarden, die der König mit französischen Firmen unterzeichnet hat. Die locker sitzenden Milliarden eines König lassen die Franzosen eben ihre sakrosankte Egalité vergessen.
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