: Staatsvertrag im Schweinsgalopp
■ Letzte Bemühungen gegen Spekulanten-Erfolg und Vermögensanhäufung / Finanzpolitiker wollen DDR-Importsteuer zu Fall bringen / Keinerlei Nachbesserungen am Gesetzeswerk selbst vorgesehen
Bonn (dpa) - Zwischen der Bundesregierung und der Regierung in Ost-Berlin wird noch fieberhaft verhandelt, um zusätzliche Regelungen gegen Mißbrauchsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Währungsumstellung in der DDR und gegen Vermögensanhäufungen von Altparteien und SED-Funktionären zu erreichen.
„Technische Probleme der DDR-Behörden bei der Erfassung“ der Währungsspekulanten und der Kontenstände haben den Abschluß dieser Verhandlungen verzögert. Die in Bonn von Koalition und SPD gebildete Arbeitsgruppe zu diesem speziellen Themenkreis mußte deshalb ihre zweite Sitzung von Montag auf Dienstag morgen verschieben. Sie hat nicht mehr als eine Stunde Zeit, um Ergebnisse zu erzielen und diese in die zweite und abschließende Sitzung der Führungsgremien von CDU, CSU, SPD und FDP unter Leitung der Parteichefs einzubringen.
Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen intensiv mit Berlin verhandelt, insbesondere um Spekulanten hohe Umtauschgewinne vorzuenthalten. Hier war daran gedacht, gegenüber den bisher beschlossenen Bestimmungen für den Umtausch einen rückwirkenden Stichtag vor dem Jahreswechsel
-möglicherweise 9. November - einzuführen: Einzahlungen, die aus hohen Beträgen nach diesem Stichtag stammen, sollten nach diesen Vorstellungen mit ungünstigeren Kursen als 3:1 oder 2:1 behandelt oder gar nicht getauscht werden, sofern sie ein bestimmtes Limit (zum Beispiel 50.000 oder 100.000 Mark) überschreiten. Unklar war bei den Experten gestern noch die Behandlung von Betriebsschulden bei DDR-Firmen. Eine Arbeitsgruppe für Umwelt war mit ihren Beratungen ebenfalls noch nicht fertig.
Die Finanzpolitiker der Bonner Koalition möchten kurz vor Beginn der Währungsunion zum 1. Juli die von der DDR geplante elfprozentige Importsteuer zu Fall bringen. Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Glos, äußerte am Montag in Bonn Bedenken gegen diese Importsteuern. Es sei fraglich, ob das Ziel, sich vorübergehend gegen einen Teil westlicher Produkte abzuschirmen, erreicht werden könnte. Bürger und Betriebe ließen sich durch solche Steuern kaum davon abbringen, westliche Waren anstelle von DDR-Produkten zu erwerben.
Am Staatsvertrag wird es nach den Worten von CDU -Generalsekretär Volker Rühe keinerlei Nachbesserungen oder Ergänzungen geben. Mit dem Vertrag seien Hoffnungen und Chancen für die Bürger in der Bundesrepublik und der DDR verbunden, und die SPD müsse endlich dazu einen Beitrag leisten, statt die Menschen zu verwirren und Ängste zu schüren, sagte Rühe am Montag nach einer Sitzung des CDU -Bundesvorstandes in Bonn.
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