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Staatsvertrag doch noch nachgebessert

■ Koalition gibt an etlichen Punkten nach / Wettbewerbsschutz für DDR-Unternehmen und Sozialpflicht des Eigentums durchgesetzt Jetzt auch SPD-Chef Vogel für gesamtdeutsche Wahlen in diesem Jahr - und für die Fristenregelung bei Abtreibungen

Bonn (ap/afp/taz) - Die SPD hat auf dem Weg über die von ihr regierten Bundesländer doch noch Änderungen am Text des Ratifizierungsgesetzes zum Staatsvertrag mit der DDR durchgesetzt. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans -Jochen Vogel sagte gestern in Bonn, der neue Paragraph 1a betone vor allem die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und erwähne ausdrücklich Verbraucherschutz, soziales Wohn- und Mietwesen sowie Schutz- und Umstellungsfristen für Unternehmen. Im Rahmen der Nachverbesserung des Staatsvertrages, der jetzt auch einen Wettbewerbsschutz für die DDR-Unternehmen enthält, ist die Bundesregierung auch verpflichtet, auf eine möglichst schnelle Übernahme des westdeutschen Berufsbildungssystems in der DDR zu drängen.

Vogel zufrieden: Damit seien im Gegensatz zu der Behauptung von Kanzleramtsminister Rudolf Seiters, kein Jota werde an dem Vertrag geändert, wesentliche Formulierungen der SPD übernommen worden.

Allerdings hätte die SPD noch weitere Verbesserungen gewünscht, beispielsweise bei der Entschuldung von Unternehmen oder beim Umweltschutz. Nachdem die SPD -regierten Länder im Wirtschaftsausschuß des Bundesrates eine entsprechende Vorlage durchgesetzt hatten, schloß sich auch der Wirtschaftsausschuß des Bundestages an.

Vogel kündigte an, die SPD werde in die Verhandlungen für den Vereinigungsvertrag mit der DDR die Forderung nach einem Volksentscheid über die Verfassung des künftigen gesamtdeutschen Staates einbringen. In diesem zweiten Staatsvertrag müsse auch das Abtreibungsrecht im vereinigten Deutschland geregelt werden. In diesem Zusammenhang sprach sich der SPD-Chef dafür aus, die Fristenregelung der DDR zu übernehmen. Dafür gebe es sowohl im Bundesrat als auch in der DDR-Volkskammer eine klare Mehrheit. Das Grundgesetz solle mit den nötigen Änderungen, darunter dem Wegfall des Artikels 23 über den Beitritt weiterer Gebiete des ehemaligen Deutschen Reichs, durch die Entscheidung des Volkes zur Verfassung des neuen Staates werden.

Vogel betonte erneut, die staatliche Einigung könne erst vollzogen werden, wenn die Fragen der Rechtsangleichung und Überleitung in einem weiteren Vertrag geklärt und die Länder in der DDR gebildet seien sowie Verfassungsorgane hätten und wenn der Zwei-plus-vier-Prozeß zu einem Ergebnis geführt habe. Das habe auch DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere am Sonntag vor der Volkskammer bei der Debatte über den Beitrittsantrag der DSU deutlich gemacht. Die SPD sei „mit jedem Zeitpunkt einverstanden, zu dem das ordentlich und haltbar geklärt ist“, wende sich aber gegen Versuche, die Einheit ohne Rücksicht auf die genannten Aspekte zu einem bestimmten Termin durchzusetzen. Vogel ließ zugleich erkennen, daß auch er eine Wahl zum gesamtdeutschen Parlament noch in diesem Jahr für möglich hält.

Der SPD-Parteitag Ende September in Berlin, bei dem die Vereinigung mit der DDR-SPD vollzogen werden soll, werde auch den Kanzlerkandidaten nominieren und das Wahlprogramm für die Bundestagswahl verabschieden, die bisher für den 2. Dezember vorgesehen ist. „Wir sind bereit, auch wenn es bereits eine gesamtdeutsche Wahl sein sollte“, sagte Vogel.

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