Staatsstreich in Spanien: Moment der Entscheidung

Was geschah am 23. Februar 1981 in Spanien? Bestsellerautor Javier Cercas kommt mit seiner "Anatomie eines Augenblicks" auf Lesereise.

General Franco - Putschist, Massenmörder, Bügerkriegssieger - hat Spanien von 1939 bis zu seinem Tod 1975 ununterbrochen regiert. Bild: dpa

"Alles ist verschnürt, fest verschnürt". Mit diesem Satz General Francisco Francos umschreibt Javier Cercas die Situation in Spanien fünf Jahre nach dem Ende der Diktatur. General Franco - Putschist, Massenmörder, Bügerkriegssieger - hat Spanien von 1939 bis zu seinem Tod 1975 ununterbrochen regiert. Und er hatte Vorsorge getroffen, dass "alles fest verschnürt" bleiben sollte, dass das Land mit seinem Ableben nicht zu einfach den Weg zur Demokratie finden sollte.

Nach Francos Tod war König Juan Carlos formal Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Aber 1981 schien sich die spanische Öffentlichkeit keineswegs sicher zu sein, für welche politische Richtung sich der jetzt mächtigste Mann Spaniens im Ernstfall entscheiden würde. Darauf spekulierten auch die Verschwörer, die am 23. Februar 1981 das spanische Parlament stürmten. Angeführt wurde das Kommando von dem Oberstleutnant der Guardia Civil, Antonio Tejero.

Javier Cercas beschreibt den Moment, als das Kommando den Plenarsaal in Madrid stürmte. Zwei im Raum installierte Kameras des spanischen Fernsehens hielten das Geschehen zu Beginn fest. An diesem Abend hätte Adolfo Suárez abtreten und der neue Ministerpräsident gekürt werden sollen. "Bis auf eine Handvoll entschlossener Menschen, die ihre Bereitschaft zu erkennen gaben, für die Verteidigung der Demokratie ihre Haut zu riskieren," so fasst Cercas die Stimmung Spaniens am 23.Februar 1981 fest, "zog sich das gesamte Land zwischen die eigenen vier Wände zurück, um abzuwarten, ob der Putsch scheiterte. Oder Erfolg hatte."

Schriftsteller Cercas beschreibt in "Anatomie eines Augenblicks" die Machenschaften, von denen sich der Putsch wie von einer "Plazenta" nähren konnte. "Dadurch dass die herrschenden Kreise unverhohlen die Möglichkeit erörterten", so Cercas, "einem Militär die Regierung anzutragen oder die Militärs um Hilfe bei der Bewältigung der schwierigen Lage zu bitten, öffneten sie einem Heer einen Spalt weit die Tür, das darauf brannte sich in die Politik einzumischen und die Demokratie zu vernichten."

Und diejenigen, die sich ihnen am meisten widersetzten und so die junge spanische Demokratie verteidigten, sieht Cercas symbolisch ausgerechnet in Personen wie Adolfo Suárez, Manuel Gutiérrez Mellado und Santiago Carillo vereint. Sie haben sich nicht wie die anderen Abgeordneten vor den Putschisten auf den Boden geworfen und zeitweise verkrochen, sondern sich deren Anordnungen unmittelbar und physisch widersetzt. Dabei ist die Konstellation klar: Alle drei waren schon Akteure zu Francos Zeiten, selber einmal lupenreine Antidemokraten auf der Rechten (Suarez und General Mellado) oder auf der stalinistischen Linken (Carillo, Widerstandskämpfer und alter spanische Kommunistenchef).

Javier Cercas arbeitet in der Biografie und dem damaligen Verhalten dieser drei Politiker tatsächlich so etwas wie die "Anatomie eines Augenblicks" heraus. Er zitiert Hans-Magnus-Enzensberger, um dabei seine Methode zu verdeutlichen. Ursprünglich habe er einen Roman schreiben wollen, sei aber an der Verarbeitung des Themas gescheitert und so auf eine andere erzählerische Form ausgwichen. Die bewegt sich nun zwischen journalistischer und historischer Recherche und einer zum Wohle des Lesers freieren Erzählweise.

Es sei eine Experimentalversion der "Drei Musktiere" meint der 1962 geborene Autor, der mit seinem Bürgerkriegsepos "Soldaten von Salamis" 2001 international bekannt wurde. Denn nichts ist so fest verschnürt, um sich nicht wieder aufschnüren zu lassen.

Javier Cercas spricht Mittwochabend im Instituto Cervantes in Berlin, am 24.2. in Hamburg und am 25.2. in Frankfurt/Main.

Sein Buch "Anatomie eines Augenblicks" ist im Februar 2011 bei S.Fischer erschienen (576 Seiten, 24,95 Euro, Deutsch von Peter Kultzen)

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