Staatsmilliarden richtig anlegen: Mit Öko aus der Krise
Der Staat setzt 50 Milliarden Euro ein, um den Abschwung zu bremsen. Das Geld will aber auch sinnvoll ausgegeben sein. Am besten für umweltfreundliche Investitionen.
Die Herausforderung ist ungewohnt für den Finanzminister: Wie gibt man möglichst schnell viele Milliarden Euro aus? Den meisten Beamten fehlt da jede Erfahrung, denn das letzte echte Konjunkturpaket wurde 1980 beschlossen. Seither wird offiziell nur noch gespart.
Und jetzt will die Bundesregierung also 50 Milliarden Euro verteilen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Am Freitag wird das Programm im Bundestag debattiert.
Es fehlt nicht an Kritik an den Regierungsplänen. So ist bereits der Umfang des Konjunkturpakets umstritten. 50 Milliarden Euro - das klingt erst einmal gigantisch. Doch könnte selbst diese Summe noch zu wenig sein, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert. Denn faktisch verteilt sich das deutsche Konjunkturprogramm auf zwei Jahre, so dass 2009 und 2010 nur jeweils ungefähr 25 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Das sei nicht ausreichend, so der IWF, um einen schweren Konjunktureinbruch zu verhindern. Deutschland müsse mindestens 2 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in ein Konjunkturpaket stecken. Das wäre fast das Doppelte - also mehr als 80 Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren. Doch damit stellt sich erst recht die Frage, wie sich diese Summen sinnvoll ausgeben lassen.
Die Bundesregierung, so zeigt sich, ist dieser Herausforderung nicht unbedingt gewachsen. So wurden bereits diverse Projekte beschlossen, deren Effekt höchst umstritten ist. Dazu gehört die reduzierte Kfz-Steuer oder auch die Abwrackprämie, die vor allem zu unökologischen Mitnahmeeffekten führen. Wie ginge es also besser? Sechs Beispiele führen wir hier an.
Prinzipiell gilt bei jedem Konjunkturpaket: Die Mischung machts. Es ist schlicht undenkbar, sämtliche Milliarden in einer Branche unterzubringen - und sei sie noch so wünschenswert wie etwa die erneuerbare Energie. Denn die staatlich erzeugte Nachfrage darf nicht die Produktionskapazitäten der Firmen überfordern - sonst steigen am Ende nur noch die Preise. Beispiel Solarwärme: Es ist unbestritten, dass auch Mietshäuser mit Sonnenkollektoren ausgestattet werden sollten. Trotzdem können nicht sämtliche Dächer Deutschlands sofort bestückt werden. Mit Solarwärme wurde 2008 ein Umsatz von ganzen 1,7 Milliarden Euro in Deutschland erzielt. Diese kleine Branche kann also gar kein Konjunkturpaket in Milliardenhöhe absorbieren. Ähnliches gilt für alle erneuerbaren Energien.
Trotzdem lässt sich ein Konjunkturpaket ökologisch gestalten - indem man auf die klassische Bauwirtschaft setzt und sie für umweltfreundliche Investitionen nutzt. Dazu gehört etwa die Wärmedämmung oder die Sanierung der Abwasserkanäle. Denn die Baufirmen können auch Milliarden an zusätzlicher Staatsnachfrage bewältigen. "Es sind immer noch 100.000 Bauarbeiter arbeitslos", heißt es beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB).
Trotzdem kann ein Konjunkturpaket nicht allein auf Investitionen setzen, denn die Bauprogramme laufen zu langsam an. Es vergehen Monate, bis die Kommunen entschieden haben, welche Gebäude wie saniert werden. Das hat auch mit der Sparpolitik der vergangenen Jahre zu tun. "Die Bauverwaltungen wurden sehr abgespeckt", konstatiert der ZDB. "Jetzt ist die Planung in den Gemeinden das Nadelöhr".
Ein Konjunkturpaket muss jedoch schnell wirken, um einen Abschwung zu vermeiden. Bis die Investitionsprogramme greifen, muss daher der Konsum gestärkt werden. Aber auch das lässt sich teilweise ökologisch gestalten - indem umweltfreundliche Geräte begünstigt werden.
ULRIKE HERRMANN
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Geld für dicke Fenster!
Ein Fünftel des deutschen CO2-Gesamtausstoßes geht auf Kosten der Gebäude. 40 Prozent der Energie werden hierzulande fürs Heizen verwendet - davon geht noch viel zu viel zum Fenster hinaus.
Die beiden Konjunkturpakete der Bundesregierung pumpen zwar schon viel Geld in die ökologische Gebäudesanierung: Die KfW vergibt noch mehr subventionierte Kredite an Hausbesitzer und Häuslebauer, die Mauern und Dächer dämmen oder effiziente Heizungsanlagen einbauen wollen. Die Kommunen bekommen 13,3 Milliarden Euro von Bund und Ländern. Der Löwenanteil davon geht in die energetische Sanierung von Schulen und öffentlichen Gebäuden.
Doch muss das alles sein? Drei Viertel aller Gebäude in Deutschland sind älter als dreißig Jahre - da sind noch viele, viele zugige Fenster auszutauschen und Keller trockenzulegen. Warum nicht statt weiterer zinsverbilligter Kredite gleich Fensterabwrackprämien einführen? Wer eine schöne neue Dreifachverglasung haben will, bekommt 2.500 Euro überwiesen, fertig. Eine feinstaubarme Holzpelletanlage in den Keller? Könnte dem Steuerzahler 3.500 Euro wert sein. Kann man auch staffeln: Wer sich verpflichtet, die Investitionskosten nicht auf die Mieter umzulegen, bekommt noch mehr. Ansonsten darf die Umlage natürlich die Einsparungen bei den Heizungskosten nicht übersteigen.
Selbst das Konjunkturpaket II reicht außerdem nicht, die in Jahrzehnten entstandenen Gammelecken in Schulen und Krankenhäusern neu zu vermauern. Das Bau- und Verkehrsministerium schätzt, dass die Hälfte aller Schulen in einem unzureichenden energetischen Zustand sind: Da geht noch was! Ausgelastet sind die Handwerker noch lange nicht - und durch die vielen öffentlichen Aufträge wird sicherlich auch die Schwarzarbeit abnehmen.
UWI
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Korrekt kühlen!
Konsumgutscheine haben im Vergleich zu Steuersenkungen zwei entscheidende Vorteile: Sie sind einmalig und bescheren dem Staat somit keine dauerhaften Einnnahmeausfälle. Und: Sie kurbeln direkt die Wirtschaft an. Geringverdiener, denen der Staat 200 Euro in die Hand drückt, geben das Geld sofort aus. Konsumgutscheine sind übrigens keine Spinnerei. Sie wurden zweimal in den USA eingesetzt. Und es gibt sie auch im Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Da heißen sie aber anders, 100 Euro einmalig gibt es für jedes Kind. Was im Prinzip nicht anderes ist als ein Konsumgutschein für Eltern.
Das Problem der Konsumgutscheine ist: Die Leute kaufen davon oft den üblichen Schrott: stromfressende Flachbildschirme oder Billigwurst bei Aldi. Die Idee, lieber Gutscheine nur für Bioprodukte auszugeben, klingt sympathisch, ist aber sehr nahe am Lobbyismus. Außerdem hat sie einen etwas zu streng volkspädagogischen Beigeschmack. Sinnvoll - und auch nachhaltiger - als Bioladenschecks sind Subventionen für Ökokühlschränke und Waschmaschinen der Energieklasse A++. Es gibt 60 Millionen Kühl- und Gefrierschränke in Deutschland, die Hälfte ist älter als zehn Jahre. Würden diese Altkühlschränke durch neue, effektive Ökogeräte ersetzt, würden pro Jahr 5 Millionen Tonnen CO2 weniger produziert. In Geld ausgedrückt: Die Leute müssten 1,4 Milliarden Euro weniger für Strom ausgeben. Der Nachteil: Wer einen Ökokühlschrank und eine sparsame Waschmaschine hat, geht leer aus. Aber 100 Prozent gerecht gibt es eben nicht.
Um nicht als Spaßbremse von Dienst zu erscheinen, wäre es schlau, die Schecks zu teilen: 100 Euro zur freien Verfügung - plus 100 Euro Subvention für einen neuen Kühlschrank oder eine Waschmaschine. Begrenzt auf ein Jahr und für höchsten 50 Prozent des Kaufpreises.
SR
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Viel Wind machen!
Die Windenergie auszubauen, ist eigentlich eine günstige Sache. Beim Bundesverband Windenergie wünscht man sich denn auch keine Milliarden-Steuergeschenke, sondern einfach nur, dass die Ausbauhindernisse beseitigt werden. Für Windräder müssen mehr Flächen ausgewiesen, höhere Türme zugelassen und unsinnige Abstandsregelungen gelockert werden. Dann werden die Investitionen schon fließen, und Arbeitsplätze brächte es auch, allerdings nicht viele: Die Wind-Branche rechnet nur mit zusätzlichen 22.000 bis 2020.
Dann geht es allerdings doch ans Zahlen. Die Windmüller leiden nämlich insbesondere an den Küsten an mangelhafter Netzinfrastruktur. Immer wieder kommt es vor, dass bei gutem Wind die Räder stillstehen. Die Netze müssen also ausgebaut und die dezentrale Natur der künftigen Stromerzeugung in Blockheiz- und Erdwärmekraftwerken, Solaranlagen und Windrädern angepasst werden. Am besten nehmen wir den Netzbetreibern einfach das Netz weg, da sie in dieser Hinsicht völlig versagt haben. Dafür reicht ein Euro, denn das Netz ist ohnehin veraltet, nachdem in den letzten Jahren dutzende Milliarden an Gewinnen herausgezogen wurden. Aber die neue Netzgesellschaft, am besten nach dänischem Vorbild gemeinnützig und in öffentlicher Hand, muss mit Kapital ausgestattet werden. Ein paar Milliarden Euro sollten es schon sein.
Zum Beispiel müssen dringend 800 Kilometer an Höchstspannungsleitungen gebaut werden. Kostenpunkt: 530 Millionen Euro. Erdkabel wären schneller zu verlegen, würden aber mehr als das Doppelte kosten.
Und wenn wir ordentlich in die Hände spucken, könnten bis 2030 vielleicht sogar sämtliche Kohlekraftwerke abgeschaltet und die Gaskraftwerke auf Biogas umgestellt werden.
J. MARTENS
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Ab auf die Gleise!
Wie wärs damit? Hartz-IV-Empfänger bekommen Gutscheine, mit denen sie etwa 20 Mal Bus oder Bahn fahren können. Das würde den Finanzminister 300 Millionen Euro kosten und 6,9 Millionen Menschen indirekt 44 Euro einbringen. Das gesparte Geld werden sie flugs wieder ausgeben und so den privaten Konsum steigern. Weil sie ja aber auch sonst ab und zu Bus gefahren wären, rechnen wir bei den Verkehrsbetrieben nur mit einem Einnahmenplus von 150 Millionen Euro. Stecken sie das Geld in neue Fahrzeuge und Anruf-Sammeltaxi-Stationen oder nehmen Leihfahrräder in ihren Fuhrpark auf, macht unser Finanzminister die Schatulle erneut auf und spendiert 150 Millionen Euro.
Mit weiteren 150 Millionen Euro elektrifizieren wir Bahnstrecken, wo bisher nur Dieselloks verkehren konnten. Das spart bei jeder Fahrt etwa 25 Prozent klimaschädliches CO2. Darüber hinaus gewinnt das Netz immens an Kapazität, weil Lokwechsel unnötig werden.
Auf der Strecke München-Bodensee könnten wir schnell loslegen. An vielen Stellen aber fehlen Baupläne für Schienentrassen. Um dem abzuhelfen, spendieren wir 100 Millionen Euro. So können wir nicht nur bei plötzlichem Geldsegen sofort reagieren, sondern sind auch für den kontinuierlichen Ausbau gerüstet.
Weitere 400 Millionen Euro pumpen wir bis Ende 2010 in das Signalsystem ERTMS, das europaweit kommen wird. Je schneller, desto besser, ist die Devise. Denn die Technik wird dafür sorgen, dass die Züge dichter hintereinanderweg fahren können.
Schließlich helfen wir Bahnunternehmen, ihre Güterwaggons mit leiseren Bremsen auszustatten: Von den 4.000 Euro pro Stück übernehmen wir die Hälfte und kündigen hiermit an, innerhalb von drei Jahren eine entsprechende Technik vorzuschreiben. Immerhin halbiert das den Lärm. Außerdem gibt es eine Verschrottungsprämie für alte Loks und Triebwagen - wenn sie durch neue ersetzt werden. Weil die Bremsenergie zurückgewinnen, brauchen sie ein Drittel weniger Energie.
Großzügig sind wir auch, wenn Firmen neue, unaufwändige Umladetechniken von der Straße auf die Schiene am Markt einführen. Dass die funktionieren, haben Pilotprojekte schon bewiesen. Summa summarum stehen 600 Millionen Euro zur Verfügung.
Für neue Straßen und Wasserwege gibt es bei uns dagegen keinen Cent. Damit die Tiefbauindustrie was Sinnvolles zu tun hat, legen wir ein 350-Millionen-Förderprogramm für Grünbrücken auf, mit deren Hilfe Tiere große Straßenschneisen besser überwinden können. Damit kommen wir auch Verpflichtungen nach, die Biodiversität zu erhalten - so wie es Deutschland im vergangenen Jahr vollmundig erklärt hat.
Wir sind uns bewusst, dass die Reparatur der Bundesstraßen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auf 235 Milliarden Euro veranschlagt wurde. Wir sehen aber die Zunahme von Schlaglöchern als Chance, den Verkehr zu verlangsamen und so die Transportwege auf Straßen zu reduzieren. Achsbrüche, die sich positiv auf die Konjunktur auswirken, erwarten wir dagegen erst mittelfristig.
A. JENSEN
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Gut Gas geben!
Man kann es ja nicht oft genug sagen - die sogenannte Umweltprämie hat mit Ökologie nichts zu tun. Klar kann es sein, dass jemand einen alten, großen Spritschlucker verschrottet und dafür einen schicken Hybrid oder anderen sparsamen Wagen kauft - kann aber auch sein, dass er einen Lupo gegen einen neuen Geländewagen eintauscht. Die Prämie in Höhe von 2.500 Euro bekommt er in jedem Fall. Das ist falsch, auch wenn es die Autohändler in Deutschland freut. Denn dass eine ökologische Lenkungswirkung möglich ist, haben unter anderem die Franzosen gezeigt. Dort gibt es die Prämie nur, wenn der Neuwagen weniger als 160 Gramm CO2 ausstößt. Und in Schweden zahlt der Staat für Neuwagen mit Biogas-, Ethanol- oder Elektroantrieb sowie für sparsame Benzin- und Diesel-Pkw, die nicht mehr als 120 Gramm CO2-Ausstoß in die Luft blasen.
Das Gegenargument ist bekannt: Die deutschen Hersteller bauen größere Autos, die eben mehr verbrauchen. Und ein Wechsel der Modellpalette dauert eben einige Jahre. Allerdings: Der Einbau eines Gasantriebs dauert nur ein paar Stunden. Deshalb sollten wir die volle Abwrackprämie nur für diejenigen zahlen, die sich für ein neues Auto mit Erdgas oder noch besser einen Autogasantrieb entscheiden. Das spart CO2, freut die Werkstätten und lässt auch die deutschen Hersteller am Geldsegen teilhaben. Was es kostet? Hängt davon ab, wie viele Menschen sich dafür entscheiden. 1,5 Milliarden Euro sind für das jetzige Programm eingeplant. Das schaffen wir locker!
STEP
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Geld in den Gully!
Knapp 130 Liter Abwasser jagt jeder Bundesbürger pro Jahr durch Toiletten und Ausgüsse. Die laufen dann durch ein Abwassernetz, das insgesamt 1,5 Millionen Kilometer lang ist - und zum großen Teil ziemlich veraltet. Den Kommunen fehlt das Geld, die unterirdischen Rohre angemessen in Schuss zu halten. Einige Städte haben eine jährliche Erneuerungsquote von 0,3 Prozent - das bedeutet, die letzten Rohre müssten 300 Jahre warten, bis sie mal ausgetauscht werden.
Hinzu kommt, dass die Netze für eine wachsende Bevölkerung mit hohem Wasserverbrauch ausgelegt sind. Seit Jahren sinkt der Durchschnittsverbrauch aber, seit 1990 allein um 17 Liter pro Kopf. Die Gründe: sinkende Einwohnerzahlen und eine veränderte Wirtschaftsstruktur. Wo zum Beispiel früher im Ruhrgebiet Kolonnen von Bergleuten nach der Schicht Duschen gingen, brauchen heute Dienstleister in Industrieparks Wasser vor allem für ihre Latte Macchiati und die Spülmaschine. Zudem versuchen die Bundesbürger steigende Preise durch geringeren Wasserverbrauch auszugleichen. Und sorgen damit wiederum für steigende Kosten: Denn Kanäle müssen mit teurem Trinkwasser regelmäßig durchgespült werden. Hier müssten die Rohre im Durchmesser also verkleinert werden, wenn man weiterhin sparsam mit Wasser umgehen will.
Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft beziffert den Sanierungsbedarf bis 2020 auf rund 100 Milliarden Euro. Gleichzeitig könnten 90.000 Arbeitsplätze entstehen oder zumindest gesichert werden. STEP
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