: „Staatsfunker“ Wulff
SPD greift Niedersachsens Ministerpräsident an wegen seiner Drohung, den NDR-Staatsvertrag zu kündigen
Soll der NDR das Niedersachsen-Lied in Endlosschleife senden? Sollen die Mitarbeiter nur noch mit Parteiausweis in die Anstalt gelangen? Was Christian Wulff (CDU) genau mit seinem Vorstoß meinte, den NDR-Staatsvertrag zur Not kündigen zu wollen, durfte er gestern in der Aktuellen Stunde des Landtags in Hannover erläutern.
In der vergangenen Woche hatte der auf Kündigungen spezialisierte Ministerpräsident (siehe Kultusministerkonferenz und Rechtschreibreform) mal wieder Schlagzeilen gemacht: Der NDR berichte zu wenig über Niedersachsen. 55 Prozent der Gebührenzahler im Sendegebiet stammen aus Niedersachsen. Das müsse sich im Programm widerspiegeln. Da der Staatsvertrag der vier NDR-Länder Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bis 2007 läuft und sich automatisch verlängert, wenn er nicht bis Februar 2005 gekündigt wird, erschien dem CDU-Mann die Zeit günstig, den einst als Rotfunk verschrienen Sender zu knacken.
„Hamburg ist längst nicht mehr Mittelpunkt der NDR-Berichterstattung“, sagte dazu die SPDlerin Amei Wiegel. Der Sender berichte sogar über den Karneval in Braunschweig. Und: „Wer Staatsverträge kündigt, verletzt das Gebot der Staatsferne des Senders“. In Wahrheit wolle Wulff mit seiner Forderung, den Rundfunkrat personell zu entschlanken, künftig bei der Gremienbesetzung des NDR mitreden. Wiegel: „Sie liebäugeln mit einem Staatsfunk!“
Ein gewisser Gerhard Schröder habe als Ministerpräsident 1990 den Intendanten in Hannover ausgetauscht, entgegnete Wulff. Tatsächlich ist der immer noch amtierende Intendant Jobst Plog seit 14 Jahren im Amt – und besitzt ein, wenn auch ruhendes, SPD-Parteibuch. Die Rundfunkfreiheit sei durch seinen Vorstoß nicht in Gefahr. Vielmehr „wollen wir nicht jeden Abend Mecklenburg-Vorpommern im NDR sehen“, betonte Wulff. Auch Harald Schmidts neue ARD-Show sprach er an. Der Schmidt-Vertrag in Höhe von angeblich acht Millionen Euro war nicht durch den federführenden Westdeutschen Rundfunk, sondern durch die ARD-Tochter Degeto abgeschlossen worden. Verträge auch von Tochterfirmen sollten „künftig der Kontrolle durch die Rechnungshöfe unterliegen“, forderte Wulff. Kai Schöneberg