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Staatsanwalt fordert lediglich Geldstrafe im Parteispendenprozeß

Stuttgart (taz) — Im Parteispendenprozeß gegen den früheren Bosch- Chef Hans Merkle hat die Staatsanwaltschaft bei ihrem gestrigen Plädoyer vor dem Stuttgarter Landgericht Milde walten lassen: Sie beantragte eine Geldstrafe in der bescheidenen Höhe von 600.000 DM für den Grandseigneur der deutschen Wirtschaft. Vor drei Monaten hatte die Staatsanwaltschaft noch einen richterlichen Vorschlag abgelehnt, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von einer Million Mark einzustellen. In ihrer Begründung sah es die Anklagebehörde als erwiesen an, daß Merkle sich der fortgesetzten Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe, indem er zwischen 1971 und 1980 Spendenbeträge seines Hauses an die als Spendenwaschanlage fungierende „Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft Baden-Württemberg e.V.“ zu Unrecht als Betriebsausgaben abgesetzt, und damit knapp vier Millionen Mark an Steuern hinterzogen habe. Merkle, so die Anklagevertretung, habe gewußt, daß es sich bei der Fördergesellschaft, deren Mitbegründer, langjähriger Vorsitzender und Kuratoriumsmitglied er gewesen sei, nicht um einen steuerbefreiten Berufsverband, sondern um einen „politischen Verein“ gehandelt habe, dessen Hauptziel die Finanzierung von Parteien gewesen sei.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft besaß Merkle detaillierte Kenntnis des Finanz- und Geschäftsgebarens der Fördergesellschaft, so auch über die illegale Kaskadenfinanzierung, der mittelbaren Weiterleitung von Spendengeldern über andere Tarnvereine in die Parteikassen. Außerdem sei Merkle als Ansprechpartner selbst aktiv in die Parteienfinanzierung eingeschaltet gewesen.

Der von dem früheren Top-Manager im Prozeß mehrfach geltend gemachte „gute Glaube“ an die Rechtmäßigkeit der Finanzierungspraxis sei daher „lediglich vorgeschützt“, erklärte Staatsanwalt Wolfgang Schmid. Als strafmildernd bei einem Tatbestand, für den „normalerweise eine Freiheitsstrafe“ zu beantragen sei, wollte Schmid allerdings ein nicht auszuschließendes Mitverschulden der Finanzbehörden und zahlreicher Spitzenpolitiker angerechnet sehen.

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