Staatliche Förderung sorgt für Boom: Frühling im Autohandel
Fiat und Co verkaufen wieder mehr Autos. Der Grund: Preisnachlässe und die staatliche Abwrackprämie. Gefragt sind vor allem ausländische Kleinwagen.
Gut zwei Wochen nach ihrer Einführung scheint sich die Abwrackprämie zu einem kleinen Lichtblick für die schwer angeschlagene Autoindustrie zu entwickeln. Seit dem 14. Januar zahlt der Staat Käufern eines neuen Pkw über 2.500 Euro dazu, wenn sie ihr mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten. Davon gibt es in Deutschland 13,7 Millionen Autos - so viele wie nie zuvor.
Wegen des "dramatischen Nachfrageeinbruchs am Automobilmarkt" hat der Remscheider Autozulieferer Edscha Insolvenzantrag gestellt. Insgesamt 4.200 Mitarbeiter an elf europäischen Standorten sind betroffen. Allein in Ostbayern sind mehr als 2.000 Mitarbeiter betroffen. Edscha-Eigentümer Carlyle - einer der weltweit größten privaten Finanzinvestoren - hatte erfolglos mit Banken und Autobauern verhandelt. Das Traditionsunternehmen ist auf Türscharniere, Cabrio-Dächer und Pedalwerke spezialisiert. Der Autozulieferer Schaeffler schickte am Dienstag 20.000 seiner 31.000 Mitarbeiter für sechs Monate in die Kurzarbeit.
Zuvor hatten bereits die Autozulieferer Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen Kurzarbeit eingeführt. "Wir werden eine lange und sehr tiefe Krise erleben, die im Moment noch gar nicht überschaubar ist", sagt Wolfgang Meinig von der Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW) Bamberg. TA
Die Zulage und weitere Rabattaktionen der Hersteller sorgen seitdem für Gedränge in den zuvor verödeten Autohäusern.
Der staatliche Fördertopf enthält 1,5 Milliarden Euro. Damit können etwa 600.000 Neuwagen bezuschusst werden. Bis Anfang der Woche wurden erst 2.000 Prämien bewilligt - tagesaktuell einzusehen auf der Internetseite der zuständigen Behörde www.bafa.de. Kaufinteressenten müssen jedoch aufpassen: Bewilligt wird die Prämie erst mit der Neuzulassung eines Fahrzeuges und nicht mit der Bestellung.
Bei den Bestellungen durften sich die Händler über einen kleinen Boom freuen: "In der letzten Januarwoche konnten die deutschen Hersteller erstmals seit September 2008 einen Zuwachs bei der Pkw-Nachfrage um 16 Prozent verbuchen", teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag mit.
Im Vergleich zum Vorjahr bleiben die Verkaufszahlen dennoch schlecht: Im Januar 2009 wurden in Deutschland 189.400 Pkws verkauft. Das sind arbeitstäglich bereinigt 6 Prozent weniger als im Januar 2008. Düster sieht es für die deutschen Hersteller auch für den noch wichtigeren Export aus: Er brach im Vergleich zum Januar 2008 um 39 Prozent auf 222.700 Pkws ein.
Mit der Abwrackpämie allein ist es denn auch nicht getan, sagt Professor Wolfgang Meinig von der Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW) in Bamberg. "Die Abwrackprämie allein hat bislang in Deutschland den Absatz von Neufahrzeugen nicht angekurbelt." Die Nachfrage steige nur durch eine Kombination von Abwrackprämie mit Preisnachlässen der Hersteller. Diese summieren sich auf bis zu 5.000 Euro. "Das sind Pakete, die bei den Kunden wirken dürften", sagt Wolfgang Meinig.
Nachgefragt werden besonders preisgünstige Kleinfahrzeuge, die vor allem ausländische Hersteller im Programm haben. Sie freuen sich über rasant steigende Bestellungen. "Wir haben eine extreme Zunahme der Bestellzahlen", sagt Citroën-Sprecher Thomas Albrecht. Je kleiner das Fahrzeug, desto größer sei der Zuwachs bei den Bestellungen. "Von unserem Kleinwagen C1 verkaufen wir normalerweise etwa 50 Stück am Tag. Zurzeit sind es 300 bis 400 Stück täglich", sagt Albrecht. Ein ähnlicher Boom sei bei den teureren Mittelklassefahrzeugen nicht festzustellen.
Ähnlich sieht es bei Peugeot, Toyota, Renault und Fiat aus. Von Lieferengpässen durch die starke Nachfrage spricht noch kein Hersteller. "Die Lieferzeiten für Kleinwagen liegen bei den üblichen sechs bis acht Wochen", heißt es beim Volkswagen-Konzern und anderen Herstellern. Ohnehin wird die Schnäppchenjagd nicht von Dauer sein: "Der Boom wird Ende März vorbei sein", glaubt Petra Alefeld von Toyota. Profitieren dürften bis dahin auch viele Käufer von der Abwrackprämie, die sich sowieso ein neues Auto kaufen wollten. Solche Mitnahmeeffekte sind aus Frankreich und Italien bekannt. Offen ist, wie viele Autos insgesamt durch die Anreize zusätzlich verkauft werden. Der VDA schätzt, dass es durch die Konjunkturhilfen etwa 100.000 zusätzliche Neuzulassungen für 2009 gibt. Angesichts der 1,5 Milliarden staatlichen Zuschüsse wären das rein rechnerisch 15.000 Euro pro Fahrzeug.
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