St. Pauli gegen Freiburg: Aufstand gegen Stangentanz
Gegen den SC Freiburg lässt der FC St. Pauli zwei Punkte liegen. Begleitet wird das 2:2 von massiven Fanprotesten gegen zu viel Kommerz in Stadion und Stadtteil.
HAMBURG taz | "Was für eine schöne Choreographie", lobt ein Herr in feinem Zwirn und die Dame an seiner Seite bestätigt mit einem Kopfnicken. Diese beiden Besucher des Millerntor-Stadions ahnen vermutlich nicht, dass es das rot-schwarze Fahnenmeer gegenüber auf der Gegengerade durchaus persönlich nehmen darf.
Denn die "Choreographie" ist Protest: Beim Spiel des FC St. Pauli gegen den SC Freiburg prägten am Samstag nicht die Vereinsfarben Braun-Weiß die Kulisse, sondern schwarzer Totenschädel auf blutrotem Grund. Der "Jolly Rouge" signalisiert, dass viele Fans mit dem "Ausverkauf der Werte" nicht einverstanden sind. Er steht für das Aufbegehren gegen immer neue Vermarktungs-Initiativen und zu viele Business-Seats, auf denen zu viele Herren in feinem Zwirn sitzen, meist erst fünf Minuten nach Anpfiff, die nicht einmal Choreographie von Protest unterscheiden können.
Nach dem Spiel zogen 1.000 dieser Kommerzialisierungsgegner lautstark durch den Stadtteil - das eingangs belauschte Duo wird es wohl nicht mitbekommen haben. Auch Stadion-Transparente wie etwa "Schlangen-Franz statt Stangentanz" versteht nur, wer weiß, dass ein früherer Pauli-Trainer wegen seiner Vorliebe für Reptilien diesen Spitznamen trug. Und dass in einer Stadionloge vorigen Dezember Tabledancerinnen die Hüllen fallen ließen. Was wiederum Fangruppen wie die "Sozialromantiker" verärgerte und nun den Protest befeuert.
Zu viel Kommerz? Die Verantwortlichen wiegeln ab. "Kein anderer Verein lässt so viel Geld, das er nur aufheben müsste, auf der Straße liegen, weil bestimmte Merchandisingaktionen einfach nicht ans Millerntor passen", sagt etwa Sportchef Helmut Schulte. Dann ist aber eben in der Winterpause auch kein Budget da für neue Stürmer, und das vorhandene Personal muss es richten.
Das klappte nun beim Rückrundenstart gegen Freiburg ganz passabel. Das gegnerische Tor getroffen hatten die Torjäger Marius Ebbers und Gerald Assamoah zuletzt, als noch Herbststürme über Norddeutschland brausten. Als Stürmer-Imitate gescholten, führten sie zur Saisonhalbzeit die interne Torjägerliste mit je zwei Treffern an. Da hatte der beste Stürmer der Freiburger, Papiss Demba Cissé, bereits 13 Mal getroffen.
Am Samstag nun zeigten "Ebbe" und "Asa", dass sie in der Winterpause offenbar an denselben Übungseinheiten teilgenommen haben: Zweimal flankte Linksverteidiger Oczipka perfekt, erst stand Ebbers (13.) dann lief Asamoah (68.) richtig, zwei Kopfbälle jeweils flach ins lange Eck, zweimal Jubel, zweimal Führung gegen Freiburg. Nichts zu hören von einem Ruf nach einem neuen, teuren Stürmer.
Prompt zeigte auf der anderen Seite Cissé, dass es noch besser geht. In der ersten Halbzeit war der gebürtige Senegalese von Gegenspieler Zambrano noch so abgemeldet, dass er entnervt einen Strafstoß kläglich verschoss. Zuvor hatte Schiedsrichter Wingenbach einen Kopfball Zambranos als Handspiel bewertet und, nach gerade mal zwölf Minuten, auf den Elfmeterpunkt gedeutet.
In der zweiten Halbzeit dann verwandelte Cissé eine Kopfballvorlage von Yano zum 1:1, (61.). Dann klärte er für seinen geschlagenen Torwart Baumann auf der Linie (73.), wofür sich der Keeper nur 47 Sekunden später mit einem 80-Meter-Pass bedankte, aus dem der hochgewachsene Stürmer den aus Hamburger Sicht etwas unglücklichen 2:2-Endstand machte.
Während St. Paulis Trainer Holger Stanislawski genervt registrierte, dieser lange Ball wäre "leicht zu verteidigen" gewesen, schwärmte Mittelfeldspieler Florian Bruns: "Cissé ist Wahnsinn. Der macht aus einer Chance zwei Tore." Auch "Stani" wird darüber nachgedacht haben, ob seine Aussage, er würde in der Winterpause nicht mal einen Arjen Robben holen, auch im Falle Cissés stimmt. Für einen Stürmer dieses Kalibers fehlt am Millerntor aber das Kleingeld, das keiner aufhebt.
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