St. Pauli-Trainer André Schubert im Interview: "Eine richtig gute Zweitligamannschaft"
St. Paulis neuer Trainer André Schubert über Team-Spirit, seine Spiel-Philosophie und Medienvertreter, die schon am frühen Sonntag morgen nerven.
taz: Herr Schubert - fünf Tage noch bis zum Zweitligastart -kribbelt es schon?
André Schubert: Das Team konzentriert sich so auf die Arbeit, dass eine große Nervosität gar nicht erst aufkommt. Die Anspannung wächst erst in den letzten Stunden vor dem Spiel.
Spüren sie denn Vorfreude auf den Saisonauftakt?
39, trainiert seit dem 1. Juni die Zweitligamannschaft des FC. St. Pauli und tritt damit in die Fußstapfen von Holger Stanislawski. Zuvor coachte der gebürtige Kassler zwei Jahre lang den Zweitligisten SC Paderborn
Auch das nicht. Uns erwarten schwere Prüfungen. Das ist wie bei einer Abi-Klausur, da freut man sich ja auch nicht vorher, sondern hinterher, wenn man es gut gemacht hat.
Welche Philosophie haben sie in Bezug auf das Spiel und die Mannschaft?
Wir wollen offensiv ausgerichtet sein, das Spiel aktiv bestimmen, anstatt zu reagieren. Dafür müssen wir schnell zwischen Angriff und Verteidigung umschalten. Was die Mannschaft betrifft, wollen wir eine Stimmung herstellen, dass die Spieler sich wohl fühlen. Wenn die Arbeit Spaß macht, macht man sie auch gut.
Die Hamburger Medienlandschaft fordert ihnen sicherlich mehr ab als in Paderborn - sind sie da schon reingewachsen?
Die Anzahl der Pressevertreter ist hier natürlich gigantisch größer. Aber es ist für mich hier eher einfacher als in Paderborn, da die Arbeit über unsere Pressestelle viel koordinierter abläuft. In Paderborn hatte ich auch mal Samstagabend oder Sonntagmorgen Journalisten auf meinem Handy und das hörte nicht auf. Das wird hier anders sein.
Wie war ihr Start?
Die Rückmeldungen, die ich bekomme, sind sehr positiv, und mir wird vom Verein viel Vertrauen entgegengebracht. Wenn man jemandem wie Stani nachfolgt, der den Verein so geprägt hat, ist das nie ganz einfach...
Wir wollten diesen ständigen Vergleich bewusst vermeiden.
Aber er liegt ja auf der Hand. Nur bin ich nicht als Nachfolger von Stani, sondern als Trainer von St. Pauli angestellt und werde meinen eigenen Weg gehen.
Kommen wir zum Kader, den Sie ja weitgehend vorgefunden haben. Welchen Eindruck macht ihr neues Team auf sie?
Wir haben eine richtig gute Zweitliga-Mannschaft und eine richtig gute Stimmung im Team. In der Pause haben sich die Spieler, die vergangene Saison schon da waren, den Abstieg und die Misserfolgserlebnisse aus den Kleidern geschüttelt. Die Spieler, die neu sind, haben sich gut integriert und freuen sich alle riesig auf die vor ihnen liegende Aufgabe. Ob wir eine wirklich verschworene Einheit sind, wird sich aber erst zeigen, wenn der Druck wächst und Gegenwind kommt.
Sie haben mit Charles Takyi einen Spieler, der nicht mehr in den Niederungen der zweiten Liga spielen will. Ist er eine Belastung für das Teamgefüge oder bekommt man das hin?
Bekommt man hin.
Das war nun wirklich die kürzest mögliche Antwort.
Auf Charles haben viele Leute eingewirkt, auch Vertreter der ghanaischen Nationalmannschaft, für die aufzulaufen für ihn eine Herzensangelegenheit ist. Wenn einem Spieler da vermittelt wird, er muss dafür erste Liga spielen, kann ich verstehen, dass er Probleme damit hat, zweitklassig zu spielen. Aber Charles hat sich in den vergangenen Wochen lernbegierig und hochengagiert präsentiert. Das Verhältnis ist völlig unkompliziert.
Welche Stärken hat der Kader, wo sehen Sie noch Schwächen?
Wir haben fußballerisch - gerade im Offensivbereich - viel Qualität. Aber von den Voraussetzungen steigt man nicht auf. Weil wir Absteiger sind und der Verein etwas Besonderes ist, werden unsere Gegner besonders motiviert sein. Man wird uns jagen.
Sie sehen die Mannschaft in der Verfolgerrolle hinter Top-Favoriten wie Frankfurt und Bochum. Was fehlt noch, um ganz vorne mithalten zu können?
Mit Schwächen beschäftigen wir uns intern. Machen wir es doch dem Gegner nicht einfacher als es sein muss.
Mit Saglik steht ihnen nur ein gesunder Stürmer zur Verfügung. Besteht da nicht dringender Handlungsbedarf?
Nein. Seinem Sturmkollegen Marius Ebbers ist ja nicht das Bein abgefallen. Er hat einen Muskelfaserriss und braucht zwei Wochen Pause. Auch Takyi, Hennings, Naki oder Kruse können zentral offensiv spielen. In diesem Bereich sind wir wirklich gut aufgestellt.
Also keine weiteren Neuverpflichtungen?
Wir könnten eher noch einen Spieler brauchen, der offensiv über die Flügel kommt. Aber nennen Sie mir einen Spieler, der nicht unter Vertrag steht und uns sofort weiterbringt. Außerdem steigt die Unzufriedenheit, je größer der Kader ist, weil eben nur elf Spieler in der Startformation stehen können.
Der Verein sagt, er strebe eine langfristige Perspektive mit ihnen an. Welche Ziele haben Sie?
Ich mache mir immer nur über den nächsten Schritt Gedanken und bin erstmal froh, wenn wir das Auftaktspiel gut über die Bühne bringen. Wenn du deine Arbeit einigermaßen erfolgreich machst, ergeben sich automatisch neue Perspektiven. Wer aber einen Trainerjob in einem Proficlub allzu langfristig begreift, hat schon verloren. Fünf verlorene Spiele hintereinander, und du bist weg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!