Spurenverwischer im Netz: Räumkommando 2.0
Das US-amerikanische Projekt "Reputation Defender" will die bedrohte Privatsphäre im Internet wiederherstellen - und auf Wunsch unliebsame Daten löschen.
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So moralisch aufrichtig und mit sich selbst im Reinen zu sein, um Elia Kazans Ausspruch "Ich bin, was ich bin, weil ich getan habe, was ich getan habe" ernsthaft zu vertreten, ja zu leben, ist freilich nicht leicht. Zumal in der post-postmodernen Jetztzeit, in der Moral und Anstand ohnehin weniger als Werte, denn mehr als Absonderlichkeiten zu betrachten sind.
Für all jene, die eben nicht zu sich und ihren Taten, Ansichten oder Vorlieben stehen wollen, gibt es nun zumindest für die Parallelwelt 2.0 eine Lösung. Sie nennt sich etwas kriegerisch "Reputation Defender" und verspricht die "Wiederherstellung des guten Rufs" eines jeweiligen Klienten.
Etwa 50 Mitarbeiter der "Reputation Defender Inc." arbeiten seit Oktober 2006 in San Francisco daran, das Netz mit all seinen Plattformen (zum Beispiel Facebook, Xing), Portalen (wie YouTube, Myspace, Flickr) und offenen Webangeboten nach den Namen und Diffamierungen oder Bloßstellungen der Auftraggeber zu durchforsten. Neben den USA wird der Service in 25 Ländern weltweit in Anspruch genommen. Auch in Deutschland kann er seit kurzem genutzt werden - etwa 300 Kunden konnten bisher gewonnen werden, sagt Anne Radies, Sprecherin des Projekts in Deutschland. Für umgerechnet sieben Euro kann man mit der "search"-Option das Netz einen Monat lang detektivisch durchstöbern lassen. Für weitere 20 Euro kommen die "Rufwahrer" mit dem Räumkommando und löschen alle ungeliebten Details aus dem Internet - aber wohl kaum aus den Köpfen. Notfalls entfernen sie auch ganze Identitäten. Diese Option nennt sich schlicht "destroy".
Den Machern des Services geht es um den Schutz der Privatsphäre im Netz. Ein Thema, das auch angesichts der undurchsichtigen Datenverwendungspolitik der Betreiber des Kontaktnetzwerks StudiVZ in Deutschland zurzeit brandaktuellen Status genießt. Noch vordringlicher jedoch wollen die "Reputation Defender" ihre Klienten vor verminderten Einstellungschancen bewahren.
Denn gut zwei Drittel aller Arbeitgeber, das belegt eine Studie des britischen Arbeitsvermittlers Poolia, informieren sich vor einem Vorstellungsgespräch im Netz über den Bewerber. Suffbilder oder zwielichtige Vorlieben führen so schnell mal zu einer Absage. Und zu der oft fassungslos gestellten Frage: "Was habe ich nur getan?" Eine Frage, die sich Elia Kazan immer beantworten konnte.
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