: Spuren von Elektroschocks auch bei Kindern
■ Menschenrechts-Vertreterin warnt vor Folter auch im westlichen Teil der Türkei
Nicht nur im Ost-Teil, auch in der West-Türkei stehen Folter, Erschießung und Entführung von Menschen auf der Tagesordnung. Das berichtete gestern Cevriye Aydin, Rechtsanwältin und Vorstandsfrau beim Menschenrechtsverein Istanbul (IHD), die mit einer Delegation von Gewerkschaftern Hamburg besuchte und auf Einladung der GAL im Rathaus sprach.
Allein 1994 seien 297 Menschen von Staatskräften auf der Straße erschossen worden. 75 Personen seien „spurlos verschwunden“, davon sieben im westlichen Teil des Landes, der für deutsche Behörden bis vor kurzem noch als „sicheres Herkunftsland“ galt. Auch Folter sei im ganzen Land üblich, die Menschenrechtsorganisation weiß von 433 Fällen, in denen Menschen 1994 physisch oder psychisch gequält wurden. Schockierendes Beispiel: ein 13jähriger Junge, der am 7. November dieses Jahres von der Polizei in Istanbul für drei Tage in Haft genommen wurde. Staatliche Mediziner, so Cevriye Aydin, hätten Spuren von Elektroschocks an den Zehen des Kindes bescheinigt.
Vor allem für abgeschobene Menschen biete die „Westtürkei keine Sicherheit“. Cevriye Aydin: „Die meisten, die sich an uns wenden, erleben Folterung.“ Das größte Problem sei, zu verhindern, daß diese Personen direkt am Flughafen verhaftet werden und verschwinden.
1994 war das Jahr, in dem in der Türkei 110 Vereine und 332 Presseorgane verboten wurden, rund eine Million Menschen verlor den Arbeitsplatz. Für 1995 befürchten die Mitglieder der Delegation Schlimmeres. Dem Vorstand des Menschenrechtsvereins selbst stehe ein Verfahren zur „Schließung und Bestrafung“ bevor, weil er die oben genannten Zahlen veröffentlichte.
„Wir brauchen Solidarität der deutschen Bevölkerung“, sagte die Anwältin. Ideen wie Urlaubs-Boykott seien richtig, hätten aber leider noch keine Menschenrechtsverletzung verhindert. Aydin: „Das müßte mit politischen Aktionen in der Türkei verbunden werden“.
kaj
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