piwik no script img

Springer-Verlag plant Tribunal über 1968Sprung über den Schatten

Cleveres Marketing: Der Springer-Verlag will ein Tribunal über seine Rolle 1968 abhalten. Es geht um die Rehabilitation des Verlagsgründers Axel Cäsar Springer.

Auf Sinnsuche: der Springer-Verlag. Bild: dpa

"Reden wir davon, welche Verbrechen an der Gesellschaft die Springer-Presse begeht, und warum Springer, den wir ja nicht eigentlich aufhängen, noch nicht einmal ins Gefängnis stecken, den wir ja nur in irgendeinem produktiven Beruf, beispielsweise als Herrenschneider, beschäftigt sehen möchten, warum Springer enteignet werden muss." - So hieß es nach gängiger Überlieferung zu Anfang des Springer-Tribunals, das sich schon gleich zum Auftakt im Februar 1968 vertagte. "Es wird voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt in einer anderen Stadt fortgesetzt", so die Organisatoren damals.

Nun ist es also so weit, nach 41 1/2 Jahren. Die Stadt ist zwar Berlin geblieben, und doch eine ganz andere geworden. Und noch etwas stimmt nicht am neuen Springer-Tribunal: Denn 2009 lädt der Verlag selbst zum "Springer-Tribunal". Es soll - "sofern die damaligen Akteure der Einladung folgen - im Oktober 2009 stattfinden, und zwar in Berlin. Genauer: im Haus des Verlags", schreibt die Axel Springer AG. Zur Dialektik der Aufklärung kommt so nun die Dialektik des Marketings.

Denn zum avisierten Termin im Oktober 2009 wird es auch die Studie als Buch geben, die den Einfluss der Stasi auf Springer und seine Blätter erforscht, fast zeitgleich sendet der Westdeutsche Rundfunk eine Doku zum Thema.

Doch das Ganze als intellektuell verpackten Werbegag zu verbuchen, springt zu kurz: Springer befindet sich im achten Jahr seines Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner auf Sinnsuche. Und versucht nun zuerst einmal die eigene "zweifelhafte Rolle" (Zeit-Herausgeber Michael Naumann) bei der Studentenrevolte und zum Thema 1968 neu zu definieren. Dass der Polizist, der 1967 Benno Ohnesorg erschoss, bei der Stasi war, führt zum Generalreflex - dem Wunsch nach Generalpardon. "Ich glaube, dem Axel Springer Verlag ist Unrecht widerfahren", sagt Döpfner dazu im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, und dass die Auseinandersetzung bis heute "negativ auf unser Haus" wirke. Denn der größte Presseverlag Europas schleppt allem wirtschaftlichen und publizistischen Erfolg zum Trotz ein schlechtes Gewissen mit sich herum - zu Recht. Das übrigens dürfte der nachhaltigste Erfolg der Anti-Springer-Kampagne gewesen sein.

Ein Erfolg, der schon seit Jahren bröckelt: "Wenn jemand von euch zu Springer geht, haben wir etwas falsch gemacht", bekam 1989 noch der neue Journalistik-Jahrgang an der Universität Dortmund zu hören. Heute ist bei der Welt mit Thomas Schmid ein Mann Chefredakteur, der 1968 noch in Frankfurt gegen die Auslieferung von Springer-Publikationen protestiert hat.

Doch so sehr hat sich der Verlag nicht geändert, auch vom Trauma 1968 ist noch genügend übrig, um nun von Döpfner mit viel größerem Ziel genutzt zu werden: "Wir möchten wissen, wie es damals wirklich war", sagte Döpfner gestern bei der Präsentation der Tribunal-Pläne. "Uns ist bewusst, dass unser Haus und unsere Blätter seinerzeit journalistische Fehler gemacht haben. Wir haben dies in der Vergangenheit zugegeben und tun dies auch heute."

Hier sollte sich Springer dann aber auch selbst ernst nehmen. Das bedeutet: nicht nur auf die Mitwirkung der ehemaligen medialen Gegner Spiegel, Stern und Zeit zu setzen und ironisch von ihnen "wieder einen kleinen Obolus zur Unkostendeckung" einzufordern, weil seinerzeit Rudolf Augstein und Gerd Bucerius zu den finanziellen Förderern der StudentInnen gehörten. Sondern zum Beispiel auch Bildblog und Stefan Niggemeier ins Tribunal zu laden, um das hier und jetzt genauso kritisch zu vermessen.

"Wir werden nichts vertuschen. Wir wünschen uns das allerdings auch von jenen, die bis heute unbeirrt an den alten Gewissheiten und Mythen festhalten. Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, die damalige Zeit besser zu verstehen", schreibt Döpfner weiter. Ist das noch lediglich ehrliches Interesse eines Intellektuellen - oder rauscht hier der Mantel des Verlegers? Mit seinen Äußerungen der letzten Monate ist Döpfner endgültig über den angestellten Firmenvorstand hinausgewachsen. Hier spricht einer, der vollenden will: Es geht um die Rehabilitation des Verlagsgründers Axel Cäsar Springer, und damit auch den endgültigen Antritt von dessen Erbe. Das neue Springer-Tribunal ist ein wichtiger Schritt hin zum Mathias Döpfner Verlag an der Rudi-Dutschke-Straße in Berlin. Und was den Herrenschneider angeht: Döpfners Anzüge sitzen perfekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • O
    ole

    Mensch Leute...

     

    ...ein bischen mehr Souveränität bitte.

    Man könnte ja meinen, daß Döpfner, Dieckmann und Konsorten nur ne'n Furz lassen müssen und schon flattern die aufgescheuchten Hühner über'n Hof.

     

    Und bitteschön, wenn einer die Einladung annimmt oder sich instrumentalisieren lässt, dann hat das schon seinen Sinn... oder auch nicht. Zumindest müssen wir uns um denjenigen wirklich keine Sorgen machen.

    Einige Alt-68er werden es ja wohl eh nicht schaffen, da sie gerade mit der eigenen Konten-Füllung beschäftigt sind. Auch geschenkt.

     

    Nun lasse ich mir noch einmal das Ergebnis des Bürgerentscheid's inklusive meiner Stimmabgabe zur bzw. gegen die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutsche-Straße durch den Kopf gehen, blicke etwas schadenfroh auf den Glaspalast da hinten und denke mir "Was für eine Rehabilitation".

  • S
    Sunny

    Zu Bild-Werbekampagne.

     

    Lady Bitch Ray war bisher die einzige, die's überrissen hat. Die Bildunterschrift war: "Ich und die Bild, wir ficken Deutschland." Oder hab' ich das nur geträumt?

  • L
    Luftikus

    Man kann nur hoffen, dass niemand der Alt-68er diese Einladung annimmt. Das ist eine ähnliche Strategie wie die kürzlich gefahrene Bild-Werbekampagne mit persönlichen Statements von bekannten Persönlichkeiten. Selbst wenn sie, wie z.B. Herr Gysi, etwas Kritisches von sich gegeben haben und sich dadurch unglaublich subversiv vorkamen, haben sie trotzdem der Springerpresse geholfen, ihr Image aufzupolieren, weil die sich somit als offen für Kritik, undogmatisch und freiheitlich präsentieren konnte.

  • K
    korgüll

    "Mathias Döpfner Verlag"? Und der ist dann journalistischen oder auch ganz einfach ethischen Grundwerten wie Lauterkeit, Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Handelns, Unabhängigkeit der Berichterstattung verpflichtet? Mal einen Blick in die Vita von dem geworfen? Er hat bei Springer ein Drittel der Belegschaft rausgeworfen, versucht, durch die Übrenahme von Pro7/Sat1 eine ähnliche mediale Manipulationsmaschine zu erzeugen wie Murdoch sie in USA hat, PIN gekauft und bei der Diskussion um den gesetzlichen Mindestlohn für Postzusteller gleich wieder allen mit Rauswurf gedroht. Als Jouranlist war er meines Wissen bisher nur bei Schundblättern. Das hätte in den Artikel gehört, um das Ganze von vorn herien einschätzen zu können. Wenn da von den Alt-68ern auch nur einer hingeht, füllt er nur die Konten des Springer-Konzerns. Und der ist heute nicht besser als damals.

  • WS
    Wolfgang Schramm

    Was will den der Springer Verlag? Das größte Zentralorgan der niederen Instinkte. Diese Drecksgazette die mit Stimmungsmache auch manchmal eine progromähnliche Stimmung herbeischmieren will.

    Springer und seine Gazetten(Zeitung wäre ein zu großes Lob für diese Schmiererei)gehören enteignet und verboten. Ich bemitleide jeden, der Tag für Tag diesem Hetzblatt 60Cent spendiert.

    Dazu gehört schon geistige Tieffliegerei sich diese Blatt jeden Tag anzutun.

    Da lob ich mir einige Läden in Stuttgart. Bei denen liegt die BLÖD Gazette unter dem Ladentisch. Mann/Frau muß extra danach fragen.

    So sollten das alle machen.

  • W
    WilderWusel

    Mit Bild die 68er besser verstehen......ich lieg grad unterm Tisch vor lachen.

  • V
    vic

    Stell dir vor es ist Oktober, es ist "Tribunal", und keiner geht hin.

    Seit es die ersten leisen Stimmen der demokratischen Protestkultur gab, ist der Springer-Konzern mit Dreckschleudern dagegen vorgegangen. Hat sich immer dafür stark gemacht, jegliche Gegenkultur zu kriminalisieren.

    Bis heute. Nichts hat sich daran geändert.

    Hoffentlich lässt sich von denen nun niemand instrumentalisieren.

  • F
    FightSpringerVerlag

    warum kann die taz nich mehr leute dazu bewegen vernünftige und vor allem reflektierte zeitungen zu lesen???

     

    man ihr macht so gute artikel, ihr behandelt vor allem die richtigen themen!

     

    warum überlebt axel springer (verlag) überhaupt?

  • K
    kay

    Wie wäre es mit einem Tribunal über 2009? Ich würde dann für die Todesstrafe plädieren. Natürlich nicht gegen Menschen sondern gegen "Bild". Zusätzlich für Herrn Dieckmann lebenslänglich wäre auch angemessen.

  • M
    Masado

    "Unkostendeckung" ist ein Unwort = gibt es nicht in der Kosten-und Leistungsrechnung. Überarbeiten Sie bitte Ihren Artikel nochmals, danke.

  • L
    Lars

    Der Springer-Verlag sollte lieber seine eigene Einäscherung planen, das wäre das einzig sinnvolle was dieser Verein noch leisten könnte.