Sprachengesetz: Slowakei setzt auf Slowakisch
Nur noch die slowakische Sprache soll öffentlich benutzt werden dürfen. Sonst drohen hohe Geldstrafen. Trotz Ausnahmen fühlen sich die Slowaken mit ungarischer Herkunft diskriminiert.
PRAG taz | Über der Donau blitzt und kracht es dieser Tage gewaltig. Auslöser ist ein neues Sprachgesetz in der Slowakei, das zum 1. September in Kraft treten soll. Das Gesetz kommt einer linguistischen Gleichschaltung der Slowakei gleich. Denn nur noch die slowakische Sprache darf öffentlich benutzt werden: auf Straßenschildern und Speisekarten, in Bekanntmachungen und bei Restaurantnamen.
Denn, so der slowakische Premier Robert Fico, die Slowakei sei ein souveränes Land, in dem Slowakisch die offizielle Amtssprache sei. "Und die muss jeder Bürger beherrschen, ohne Rücksicht auf dessen Nationalität," erklärte Fico. Andernfalls drohen Strafen von 100 bis 5.000 Euro.
"Das ist ein Gesetz, das objektiv die eigenen Bürger diskriminiert," kritisierte der deutsche EU-Abgeordnete Michael Gahler (CDU) die Sprachregelung. Etwa 10 Prozent der slowakischen Bürger sind ungarischer Nationalität. Sie fühlen sich in ihren Rechten arg beschnitten.
Kritiker der Gesetzesnovelle sehen in ihr den Versuch, den Gebrauch der ungarischen Sprache in der Slowakei zu verbieten. "Ein multinationales Land in einen homogenen Staat umzuwandeln, eine gewaltsame Assimilation durchzuführen, das lässt sich nicht mit den Werten der Europäischen Union vereinbaren und widerspricht internationalen Gesetzen zum Minderheitenschutz" schimpft der ungarische Präsident Laszlo Solyom in Richtung Bratislava. Ungarn hat sich sogar bei der UNO-Menschenrechtskommission und dem Europarat über das slowakische Sprachengesetz beschwert.
"Die Ungarn sind hysterisch," meint Petr Duhan, Programmdirektor des tschechischen Rundfunks und slowakisch-ungarischer Abstammung. "Das neue Sprachengesetz überschreitet keine herkömmlichen Normen." Denn, so Duhan, das Gesetz gilt nicht für Orte und Bezirke, in denen eine nationale Minderheit mehr als 20 Prozent der Bevölkerung stellt. Das trifft für die Ungarn zu, die hauptsächlich im Süden der Slowakei leben.
Zwar müssen sich die Ungarn dort nun mit der Tatsache abfinden, keine zweiprachigen Ortschilder mehr zu haben. Auf Ämtern und Behörden aber kann auch weiter Ungarisch geredet werden. "Die Reaktion auf das slowakische Sprachengesetz zeigt allerdings mal wieder auf, wie schlecht die slowakisch-ungarischen Beziehungen auch heute noch sind," sagt Duhan.
Schlecht ist das Verhältnis seitdem der Vertrag von Trianon 1920 Ungarn um fast zwei Drittel seines Reiches beschnitten und aus Oberungarn die Slowakei gemacht hat. Das Problem scheint aber hauptsächlich eines der hohen Politik. Die Regierung in Budapest sieht sich als Schutzherr aller Ungarn, auch derer, die außerhalb von Ungarn leben.
Das wird in Bratislava genauso mit Misstrauen betrachtet wie mögliche Autonomiebestrebungen der slowakischen Ungarn. Jedoch nur fünf Prozent der Ungarn in der Slowakei sind für ein autonomes Gebiet am Donauufer, ergab eine Umfrage des "Forum Instituts für Minderheitenforschung" 2008. Eine kulturelle Autonomie, in der die Minderheit selbst ihre Kultur- und Bildungsinstituionen leitet, fordern 19 Prozent der Ungarn.
Die Spannungen zwischen den Nachbarn wuchsen nach dem Regierungswechsel in Bratislava 2006. Die Partei der ungarischen Koalition (SMK) wechselte damals nach sieben Jahren in der Regierung in die Opposition.
Die Regierung unter dem Sozialdemokraten Robert Fico ging eine Koalition mit der anti-ungarischen Slowakischen Nationalpartei (SNS). Deren Chef Jan Slota versucht seitdem alles, um Budapest zu ärgern. Die Ungarn seien "Mongolen" und die ungarische Außenministerin Kinga Göncz "Hitler im Rock". Selbst der mytische ungarische Vogel Turul war nicht vor Slotas Ausfällen sicher. Der sei ein "widerlicher ungarischer Papagei," ereiferte sich Slota als Göncz sich nach dem slowakischen Minderheitsgesetz erkundigte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?