: Sprach-Genuss für alle
Trotz neuer bilingualer Grundschulen ist Zweisprachigkeit politisch nicht gewollt.GAL kritisiert Kürzung bei Förderstunden für Kinder mit Migrationshintergrund
In Barmbek hat am Mittwoch die erste deutsch-türkische Grundschule eröffnet. Erst am Montag hatte am Gymnasium Marienthal eine deutsch-chinesische 5. Klasse begonnen. Daneben gibt esmit finanzieller Unterstützung der Konsulate bereits bilinguale Schulen für Spanisch, Portugisisch und Italienisch. Wird Zweisprachigkeit also in Hamburg seit neuestem groß geschrieben? Mitnichten, sagt die GAL-Politikerin Christa Goetsch. „Es ist toll, dass die deutsch-türkische Grundschule eröffnet. Wenn man aber gleichzeitig die Förderung der Zweisprachigkeit in der Fläche zurückfährt, hat dies einen Alibi-Charakter.“
Tatsächlich ist sie politisch derzeit unerwünscht. So wurde der Anspruch auf zweisprachige Förderung von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) diesen Sommer aus dem Schulgesetz gestrichen. Kurz zuvor löste Schulamtsleiterin Ingeborg Knipper das behördeneigene Referat zur „Förderung von Schülern nicht-deutscher Muttersprache“ auf und entließ die zuständige Referentin Helga Büchel aus ihrem Amt. „Es wird keine ausdrückliche Förderung der Zweisprachigkeit geben“, der Fokus werde „auf die deutsche Sprache gelegt“, verkündet der Sprecher der Schulbehörde, Alexander Luckow, die neue Linie.
Für Goetsch, die selbst Lehrerin und Expertin für „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ) ist, eine Katastrophe. „Es ist klar, dass wir nicht überall bilinguale Grundschulen errichten können. Aber man muss das Thema ernst nehmen.“ Deshalb gab es bisher für Kinder nicht-deutscher Herkunftssprache flächendeckend die ergänzende DAZ-Förderung. Doch aus Spargründen wurden jetzt die bisher 370 DAZ-Stellen um 10 Prozent gekürzt. Und auch die Leseförderung PLUS wurde um 8 Prozent gekappt.
Goetsch: „Das geht zu Lasten der Bildungschancen der Migrantenkinder.“ Andernfalls würden sprachliche Missverständnisse, etwa um die mehrfache Bedeutung von Wörtern, später auch im Fachunterricht zu großen Verständnisproblemen führen. Wichtig sei zudem die Förderung in der eigenen Muttersprache, damit die Kinder mit ihren Eltern sprechen können.
Doch beides, DAZ und muttersprachlicher Unterricht, wurden im neuen Arbeitszeitmodell mit dem niedrigsten Faktor bewertet und somit geringer geschätzt als beispielsweise Deutsch für deutsche Kinder. In Folge wird es für Lehrer, die sich dafür fortbilden müssen, äußert unattraktiv, DAZ-Stunden zu geben. Dabei, so Goetsch, sei Zweisprachigkeit ein „Genuss“, den es für alle geben sollte. KAIJA KUTTER