: Sportboykott ist geltendes EU-Recht
■ betr.: „Fußball, Gewalt und Poli tik“ (Sollte die Fußballmannschaft Nigerias boykottiert werden?), taz vom 22. 4. 98
[...] Andrea Goldberg hat sich zu der Aussage verstiegen, ein genereller Sportboykott gegen undemokratische Länder würde fast den ganzen Kontinent treffen. Sie sollte mal die taz lesen, dann hätte sie mitgekriegt, daß es in Afrika mittlerweile zahlreiche Länder gibt, die ernsthaft und mit Erfolg an einer Demokratisierung arbeiten.
Nigeria aber ist nach wie vor der größte Bremser, auch wenn Abacha mit seinen Rambo-Einsätzen in Liberia und Sierra Leone einen anderen Eindruck erwecken will. Nigeria ist nicht irgendein afrikanisches Land, sondern das bei weitem bevölkerungsreichste. Ohne eine demokratische Wende dort wird sich zumindest in Westafrika in absehbarer Zeit auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet nicht viel Positives entwickeln.
Zur Zeit geht Abacha eher in die entgegengesetzte Richtung. Dabei ist der Fußball neben den Militäreinsätzen im Ausland das einzige Feld, auf dem das Militärregime noch in der Lage ist, „Erfolge“ vorzuweisen. Fußball ist für Abacha – ebenso übrigens wie für den selbstherrlichen pseudo-demokratischen Präsidenten des WM-Teilnehmers Kamerun – die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Abacha hat seiner Mannschaft schließlich die Teilnahme am Afrika-Cup 1996 in Südafrika verboten, weil ihm Mandelas Kritik an seinem Terrorregime nicht paßte. Dafür wurde Nigeria dann vom diesjährigen Cup in Burkina Faso ausgeschlossen.
Welche demokratische nigerianische Opposition lehnt denn eigentlich einen Sportboykott ab? Zumindest scheint sich die Opposition da überhaupt nicht einig zusein, denn die nigerianischen Oppositionellen, die ich kenne, befürworten den Boykott. Einige von ihnen nehmen auch an den Protesten in Köln teil.
Und was heißt hier, der Sportboykott sei nicht durchsetzbar? Der Sportboykott ist bereits geltendes EU-Recht! Das Spiel in Köln ist ein glasklarer Verstoß dagegen. Bei der WM in Frankreich ist das anders, weil die schon vor 1995 geplant war.
Und warum müssen wir damit leben, daß Gewalttäter wie Abacha auf der Ehrentribüne Platz nehmen? Zum Glück will er ja gar nicht kommen, aber ich hätte gern den Aufschrei erleben mögen, wenn sich einst ein Augusto Pinochet angeschickt hätte, in einem deutschen Stadion aufzutauchen. Thomas Mösch, Arbeitskreis
Nigeria/Aktion Ogoni Hamburg
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